Hans-Ulrich Niemitz
† 2.11.2010
Geboren 1946 in Berlin, ausgebildet als Diplom-Ingenieur im Flugzeugbau, wandte sich Hans-Ulrich Niemitz der Technikgeschichte zu, in der er 1992 zum Dr. phil. promoviert wurde. Bald darauf erhielt er einen Ruf an die Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur in Leipzig, um dort das studium generale zu leiten und ein angeschlossenes Technikmuseum zu neuem Leben zu erwecken. Krankheitsbedingt in den vorzeitigen Ruhestand versetzt, hinterlässt er Frau und Tochter.
In unserem Kreis erlebten wir Hans-Ulrich erstmals 1984/85, als er sich für das griechische dark age und für das Werk von Alfred de Grazia interessierte und Zusammenfassungen schrieb. Ab da war er 20 Jahre lang ein aufrechter und mutiger Mitstreiter bei der Rekonstruktion der Menschheits- und Naturgeschichte.
In der zweiten Jahreshälfte 1990 stellte er Heribert Illig die wesentliche Frage über die „antizipierenden“ Fälschungen im Mittelalter. Als Antwort schlug Illig eine chronologiekritische Lösung vor: die Kürzung der nachchristlichen Zeitachse. Beide schrieben Anfang 1991 drei Artikel über diese Thematik in Vorzeit-Frühzeit-Gegenwart. Als Heribert Illig diesen Gedanken zielstrebig ausbaute, prägte Niemitz für diese fiktive Zeit den Begriff Phantomzeit.
Hans-Ulrich leitete einen Arbeitskreis Technikgeschichte des Bezirksvereins Berlin Brandenburg im VDI, der sich im Berliner Museum für Verkehr und Technik traf. Als Illigs Buch 1994 als „Hat Karl der Große je gelebt?“ erschienen war, unterstützte er seine Verbreitung, indem er Heribert Illig am 16. 3. 1995 zu einem Vortrag über mittelalterliche Technikentwicklung in diesem Kreis einlud. Anwesend war ein Journalist der taz, der das Thema zwar nicht selbst aufgriff, aber weitergab. Am 11.9. desselben Jahres erschien auf der Wissenschaftsseite der taz von Marion Wigand der Artikel: „300 Jahre erstunken und erlogen“. Noch am selben Tag brach über uns ein lange nicht mehr abebbendes Medieninteresse herein und Econ verlegte das Buch höchst erfolgreich.
Andere Wege ging Hans-Ulrich zusammen mit Christian Blöss, als sie 1994 das VFG-Colloquium gründeten, das von 1995 an (damals mit Uwe Topper) bis 2007 als Berliner Geschichtssalon Themenabende veranstaltete und Vorträgen ein Podium gab. Ein Leipziger Geschichtssalon wurde ebenfalls von Hans-Ulrich gegründet, dem aber keine längere Wirkungsdauer vergönnt war.
Durchwegs beunruhigte ihn der grundsätzliche Fehlansatz bei den naturwissenschaftlichen Datierungsmethoden, deren falsche Ergebnisse er zusammen mit Christian Blöss 1997 in einer Fundamentalkritik als „C14-Crash“ anprangerte. Zu diesem Thema folgten bis 2003 immer wieder Aufsätze in den Zeitensprüngen.
Ab etwa 2000 beschäftigte ihn zunehmend die Frage, wie der von Gunnar Heinsohn und Otto Steiger neu durchdachte Eigentumsbegriff mit Ethik und Gesellschaftsvertrag zu vereinen sei.
Sein unbekümmertes, vorwärtsdrängendes Engagement vermissten wir seit einigen Jahren; jetzt wird es uns für immer fehlen.
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