von Heribert Illig

Fraglos ist mit Arno Borst ein Ausnahme-Gelehrter verstorben, darin durchaus mit dem jüngst verstorbenen Carl-Friedrich von Weizsäcker zu vergleichen. Während dieser Philosophie, Friedensforschung und Physik verband, beschäftigte Borst nicht nur die Mediävistik in ihrer ganzen Bandbreite über 1.000 Jahre, sondern genauso die Antike, die Linguistik oder Kalenderwesen und Komputistik.

Ihm gelang es, auch breitere Leserkreise für sein Forschungsgebiet anzusprechen, indem er Querschnitte durch das Mittelalter legte: 1973 mit „Lebensformen im Mittelalter“, 1988 mit „Barbaren, Ketzer und Artisten“, das heuer noch eine preisgünstige Neuauflage unter dem Titel „Die Welt des Mittelalters“ erlebt hat.

Am liebsten suchte er die Kontinuität. In seiner Doktorarbeit von 1953, die immer noch im Buchhandel erhältlich ist, ging er nicht nur den Katharern nach, sondern der Ketzergeschichte von der Antike bis weit ins Mittelalter. Als er nach Konstanz berufen wurde beschäftigte ihn das Mönchswesen am Bodensee und besonders auf der Reichenau. Dann wieder ging er der Rezeptionsgeschichte des Buches der Naturgeschichte von Plinius nach.

Doch spätestens seit 1988 legte er den Schwerpunkt auf das Kalenderwesen, auf die Osterrechnung, auf die Komputistik. Es gelang ihm, nach fast dreißig Jahren den selbstgesteckten Rahmen auszufüllen, indem er letztes Jahr die monumentale, dreibändige Ausgabe der „Schriften zur Komputistik im Frankenreich von 721 bis 818“ abschließen konnte. Doch ist er hier bislang eher Spezialist für ein mühseliges Fachgebiet geblieben, dem die Kollegen nur wenig abgewinnen konnten.

Aus Sicht der Fantomzeitthese sind aber gerade diese seine Arbeiten von höchstem Interesse. Es ist deshalb vielleicht kein Zufall, dass am 30.3., also kurz vor seinem Tod, eine längere Analyse abgeschlossen wurde. Sie ist mittlerweile in den „Zeitensprüngen“ erschienen und wird hier wiedergegeben.
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