Ein Hinweis von Marianne Koch: www.hna.de/northeimstart/00_20081211200224_Sensationsfund_Antikes_Schlachtfeld_bei_Northe.html.
Offenbar fand bei Kalefeld eine große Römerschlacht statt: viel später und viel weiter östlich als bisherige Forschung angenommen hat. Man wird die Veröffentlichung von Einzelheiten abwarten müssen, aber im Forum von Rainer Friebe wird schon auf Kaiser Probus getippt: www.varusschlacht-am-harz.de/varus_arminius.htm. Mit Probus sind wir im späten dritten Jahrhundert. Ziehen wir die Phantomzeit ab, wären wir bei Varus … Das muss natürlich nicht sein, Friebe selbst hat hier ganz andere Vorstellungen, aber “schaumermal”.
Auf jeden Fall ist ein weiteres Mal alte Geschichte umzuschreiben. Das kommt uns freilich entgegen: Die immer zahlreicheren Römerfunde in Germania magna legen die Frage nahe, wo denn die entsprechenden zu erwartenden Römerbauten geblieben sind. Corvey mag exemplarisch für die Antwort stehen: Sie verstecken sich hinter vorgeblich karolingischen Fassaden. Was von der herrschenden Lehre für karolingisch gehalten wird, ist in Wirklichkeit römisch. Heribert Klabes hat das für Corvey detailliert gezeigt (siehe Corvey – eine römische Civitas? und Corvey im Spiegel). Die kürzlich erfolgte Neuausgabe seines Buches durch Andreas Otte kam gerade rechtzeitig und ist ein Muss für alle, die sich wissenschaftlich mit dem immer noch rätselhaften Übergang von der Spätantike zum Hochmittelalter befassen.
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Ergänzung am 14. 12.: Wenn die über die Tagesthemen verbreitete Information stimmt, dass die Römer bei Kalefeld gesiegt haben (aber wie begründet? die Römer sollen sämtliche ihrer Waffen zurückgelassen haben …), kann es sich dort selbstverständlich nicht um die Varusschlacht gehandelt haben. Wohl aber bleibt abzuwarten, was uns die zuständigen Stellen über die verwendeten Datierungsmethoden mitteilen werden. Geht es dabei lediglich um naturwissenschaftliche Verfahren, ist zwar eventuell ein Zeitpunkt BP (“before present” – siehe FAQ, Frage 5) bestimmt worden. Dann aber landeten wir damit bestenfalls unter Voraussetzung der traditionellen Chronologie ins dritte Jahrhundert. Aus Sicht der FZT müssten wir zwei bis drei Jahrhunderte weiter zurück – und kämen so zu Varus oder zu einer Zeit kurz davor.
Zweite Ergänzung am 14.12.: Im Friebe-Forum wurde bekannt gegeben, dass am Montag um 11.30 Uhr im Gasthaus Twickert in Kalefeld-Oldenrode eine Pressekonferenz stattfindet (Oldenroder Str. 15). Anschließend gibt es die Möglichkeit einer geführten Besichtigung vor Ort, ein Bustransfer steht bereit.
Dritte Ergänzung am 15.12.: Die Süddeutsche ist sich tatsächlich nicht zu schade, die aus anderen Fällen nur all zu bekannte Hypothese aufzuwärmen, in Kalefeld hätten Germanen mit erbeuteten römischen Waffen gegeneinander gekämpft. “Wie denn,” fragt sich der unbefangene Leser verwundert, “römische Waffen waren für Germanen so wertvoll, dass sie selbst damit kämpften? Und dann soll der Sieger der Schlacht bei Kalefeld sie in so großer Zahl einfach haben liegen lassen?” [siehe aber unten …]
Vierte Ergänzung am 15.12.: Nähere Einzelheiten bietet jetzt der Informationsdienst Wissenschaft auf seiner Homepage. Demnach sind eine abgegriffene Münze des Kaisers Commodus (180 – 192 n. Chr.) sowie Eigentümlichkeiten der verwendeten Waffen die Hauptgründe für eine Datierung der Schlacht ins dritte Jahrhundert. Vorerst nichts mit Varus also. Dann aber waren die Römer in Germania magna viel länger präsent als bis jetzt angenommen. Die Frage nach dem Schicksal ihrer Bauten stellt sich umso dringender. Auch die bislang ignorante Zunft wird nun nicht mehr umhin kommen, sich beim Essener Architekten Horst Leiermann schlau zu machen.
Fünfte Ergänzung am 15.12.: Übrigens ist beim Informationsdienst Wissenschaft die hehre Selbstbezeichnung nur mit größter Vorsicht zu genießen. Autorin Petra Wundenberg des eben erwähnten Artikels meint doch allen Ernstes: “Mit dem Fundort Kalkriese verbindet sich die Niederlage der römischen Militärmacht im Jahre 9 n. Chr.” Dass diese Ansicht mindestens strittig ist und strenggenommen sogar widerlegt wurde, ist zum Referat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Niedersächsichen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur, für das Frau Wundenberg schreibt, offenbar noch nicht durchgedrungen. Hier eine Lektüre-Empfehlung zum Weiterbilden: www.logistik-des-varus.de/?p=102.
Sechste Ergänzung am 17.12.: Siehe unten Kommentar 2.
Siebte Ergänzung am 17.12.: Ein weiterer Hinweis von Marianne Koch führt auf den FAZ-Artikel Die Germanen in den Sumpf treiben von Ralf-Peter Martin. Martin weiß Näheres zur Datierung. Denn neben der schon bekannten Commodus-Münze und einer “Schwertscheidenverzierung …, deren Ornamentik sich eindeutig der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts zuordnen lässt” (im Bericht des Informationsdienstes Wissenschaft war das noch ein Messerfuttural, aber egal, so genau müssen wir es jetzt nicht nehmen), gibt es offenbar eine C14-Messung: “Endgültige Bestätigung dieser Zeitstellung lieferte eine C14-Datierung aus den Holzresten eines Geschützpfeils.” Wie die C14-Datierung zustande gekommen ist, erfährt der Leser nicht. So etwas erfährt der Leser ohnehin nie, zumindest nicht aus der Zeitung. (Entweder gibt es keine kritischen Journalisten mehr, die solche Fragen stellen, oder es gibt keine Zeitungsredaktionen mehr, die solche Fragen erlauben.) Das Schlimme ist, dass es mit Sicherheit auch keine wissenschaftliche Veröffentlichung gibt bzw. geben wird, der die genauen Daten der Altersbestimmug jener “Holzreste eines Geschützpfeils” zu entnehmen wären. Über die katastrophalen Verhältnisse im Bereich naturwissenschaftlicher Datierungsverfahren lese man Andreas Ottes kürzlich erschienenen Beitrag Kritische Dendrochronologie.
Achte Ergänzung am 17.12: www.logistik-des-varus.de/?p=107.
Neunte Ergänzung am 23.12: Auch im Friebe-Forum wird mit der Möglichkeit gerechnet, dass hier Germanen gegen Germanen kämpften, Friebe selbst schließt das nicht aus. Insofern ist mein obiger Tadel der Süddeutschen als Spontanäußerung zu relativieren und zurückzunehmen. Friebe hält es zum Beispiel für merkwürdig, dass keine Feldflaschen gefunden wurden, die römische Soldaten immer mit sich führten. Auf der anderen Seite argumentiert Michael Barkowski im selben Forum, dass mit Kalefeld nun ein Kontext für die überraschenden Funde von Haarhausen Anfang der 80-er Jahre hergestellt werden kann. Die Diskussion ist also offen, wir werden sie auf fantomzeit.de auch weiterhin aufmerksam verfolgen.
Zehnte Ergänzung am 4.4.2009: Siehe zur Problematik naturwissenschaftlicher Datierungsverfahren inzwischen auch die Beiträge Kritische Dendrochronologie II und Vorsicht mit C14-Daten.
Letzte Ergänzung am 18.4.2009: Hier geht’s weiter.
Damit wird nun auch klar, warum Klaus Grote im April 2008 in Detmold so mutige Aussagen machte. Kalefeld liegt genau auf seiner Linie.
Angeblich hat Klaus Grote im April noch nichts gewusst. Das Göttinger Tageblatt schreibt heute (Artikel Historisches Römerschlachtfeld: „Sensation“):
Interessant daran ist eine frühere Nachricht auf HNA Online, nach der zwei Hobbyforscher schon im Jahr 2000 Katapultbolzen und eine Hipposandale gefunden hatten. Acht Jahre hat es also gedauert, bis offizielle Stellen informiert wurden.
Wird es weitere acht Jahre dauern, bis die Arbeiten von Heribert Klabes, Horst Leiermann und Rainer Friebe von der amtlichen Forschung zur Kenntnis genommen werden?
[…] Wie versprochen, halten wir unsere Leser über die Ausgrabung in Kalefeld auf dem Laufenden. Heute berichtet HNA Online, dass dort sechs Münzen gefunden wurden, die eine Datierung der Schlacht nicht vor 225 n. Chr. nahelegen: […]
[…] in der die These vom Erfundenen Mittelalter wie auch der Bericht über die römische Geisterlegion (Schlacht am Harzhorn) deutliche Fremdkörper […]