von Renate Laszlo (aus Zeitensprünge 02/2008)
Abstract: Dunstan, Abt von Glastonbury und Erzbischof von Canterbury bis 988, gilt als Gründer mehrerer Klöster, darunter Exeter und Malmesbury (a). In diesen Klöstern erhalten aber schon im 7. Jh. bedeutende Persönlichkeiten der englischen Kirche ihre erste Ausbildung: Winfried (Bonifatius) in Exeter und Aldhelm in Malmesbury. In der ersten Biografie über Dunstan, die bereits 1004, sechzehn Jahre nach seinem Tod, in Frankreich vorliegt, bezeichnet der unter dem Pseudonym „B” schreibende Biograf Dunstan als den ersten Abt der englischen Nation (b). Diese Mitteilung wird in weiteren Berichten über Dunstan wiederholt. Ausnahmslos alle Lebensbeschreibungen über Dunstan teilen mit, dass dieser seine erste Ausbildung von irischen Mönchen erhält (c). Diese Aspekte sind aber zusammen nur möglich, wenn man die Realität der Phantomzeit anerkennt.
Henry de Blois (1100-1171), ein Enkel Wilhelms von der Normandie, wird um 1126 Abt von Glastonbury. Um das durch die normannische Eroberung und ihre Begleiterscheinungen stark in Mitleidenschaft gezogene Kloster aufzuwerten, erhofft er sich Mithilfe von dem Historiker William von Malmesbury (1080/95-1143), der unter dem Titel De Antiquitate Glastoniensis Ecclesiae eine Abhandlung über die Geschichte der Abtei Glastonbury schreibt, die allerdings weder im Original noch in einer separaten Abschrift erhalten ist. Der Text existiert nur noch in Williams Hauptwerken Gesta Regum Anglorum oder Gesta Pontificum Anglorum in Kopien aus dem 13. bis 15. Jh. Das ist sehr schade, da aus den Abschriften, die hundert oder mehr Jahre nach der Entstehung des Werks angefertigt werden, nicht mehr ersichtlich ist, was William selbst geschrieben hat und was spätere Kopierer geändert, hinzugefügt oder eventuell weggelassen haben. Illig [2006] hat bereits gezeigt, wie die Chronik Teil einer stetig wachsenden, großangelegten Fälschungsaktion war, mit der sich Glastonbury – u.a. gegen die Ansprüche von Wells – ein ‘Wurzelgeflecht’ der Abtei erfunden hat, das schließlich über Josef von Arimathäa bis zum Tod Christi zurückreichte.
Für William ist der Gang durch die Geschichte von Glastonbury respektive Yniswitrin, wie der Ort bis zum 7. Jh. genannt wird, kein leichter Weg, auf dem er neben den Übergängen vom Heidentum zum Christentum sowie von der irischen zur römischen Kirche auch den Sprung über die Phantomzeit bewältigen muss.
Aus Yniswitrin wird Glastonbury
In einem chronologischen Überblick über die Zuwendungen an die Kirche in Glastonbury erwähnt William zuerst die drei heidnischen Könige, die den Heiligen Philipp und Jakobus sowie ihren zehn Mitstreitern, als diese im Jahr 63 aus Frankreich nach England kommen, den ersten Grund und Boden in Yniswitrin überlassen. Die ersten Missionare sollen die Erbauer der kleinen Holzkirche, der Vetusta Ecclesia, sein [vgl. Illig 701].
Im 2. Jh. erhalten die Heiligen Phagan und Deruvianus von König Lucius, den sie, wie William berichtet, mit dem Geschenk des Glaubens erleuchten und der durch ihre Bemühungen in Christus wiedergeboren wird, die Bestätigung der Insel Avalon mit allem Zubehör zum Unterhalt für sich und die zehn Missionare, die sich mit ihnen hier niedergelassen haben, darunter auch Josef von Arimathäa, sowie für alle nach ihnen Kommenden.
Ihr Nachfolger nach vielen Jahren ist der hl. Patrick, der hier zwölf Brüder vorfindet, die das Leben von Eremiten führen. Er unterrichtet sie im Gemeinschaftsleben und bereichert sie mit vielen Besitzungen, was wir, wie William sagt, gut glauben können, obwohl sie für uns unbekannt sind. Patricks Mitstreiter und Nachfolger ist St. Benignus, dessen Kurzbiografie als Epitaph sein Grab in Meare ziert.
Auf St. Benignus sollen viele Äbte der britischen Nation folgen, deren Namen und Taten in Nebel und Vergessenheit gehüllt und in der Erinnerung der Zeit verloren gegangen sind. Aber ihre hier noch ruhenden Gebeine zeigen, dass die Kirche von den großen Männern der Briten in höchster Verehrung gehalten wurde. Ein Gemälde, das an die Ereignisse der Vergangenheit erinnert, trägt die Namen von drei Äbten mit den Namen Worgret, Lademund und Bregored. In einer von Bischof Mawron verfassten Urkunde aus dem Jahre 601 schenkt ein namentlich nicht genannter König von Devon auf die Bitte von Abt Worgret der alten Kirche von Yniswitrin Land.
Vieles in Williams Chronik gehört zur Sage und Legende. So soll auch „der berühmte König Arthur” in Glastonbury gewesen sein und für seine Seele dem Kloster 80 Mönche zugeführt und für deren Unterhalt viele Ländereien, Reichtümer, Gold, Silber, wertvolle Kirchengefäße und Ornamente gespendet haben und schließlich im Kirchhof gemeinsam mit seiner Gemahlin begraben worden sein.
Die Gleichsetzung von Glastonbury beziehungsweise Yniswitrin mit Avalon entnimmt der Kopierer oder Interpolierer des 13. Jh. der Sage über König Arthur, die Geoffrey von Monmouth nach dem Vorbild des historischen Dux Bellorum Britanniae, eines britannischen Kriegsführers gleichen Namens aus dem 5. Jh., zur Auffüllung der Phantomzeit erfindet und 1136 in der Historia Regum Britanniae aufschreibt [Laszlo 1996; auch Illig 707 f.].
Bezüglich der verschiedenen Namen und der weiteren Besiedelung von Glastonbury werden in De Antiquitate… alternativ mehrere Definitionen und Versionen angeführt. Nach Gründung im 1. und Wiederentdeckung im 2. Jh. sollen zwölf Brüder aus den nördlichen Teilen Britanniens die westlichen Gebiete besiedeln, von denen einer namens Glasteing auf der Suche nach einem entlaufenen Schwein zufällig auf die Insel kommt und sie nach seinem Namen benennt. Oder aber Glastinbiry soll die Übersetzung von Yniswitrin in die angelsächsische Sprache sein. Der Name Avalon für Glastonbury soll auf einen gewissen Avalloc zurückgehen, der dort wegen der Abgeschiedenheit der Stelle mit seinen drei Töchtern gelebt habe.
Mittels Josef von Arimathea, der nach der christlichen Überlieferung das Blut aus der Seite Christi in einer Schale aufgefangen und diese Schale bei seinem Missionsversuch im 1. Jh. mit nach England gebracht haben soll, wird die Sage vom heiligen Gral in die englische Mythologie eingeführt.
Äbte von Glastonbury
Entsprechend den widersprüchlichen Angaben könnte eine in sich stimmige Abtsliste nur mit Gewalt konstruiert werden. Hier die wesentlichen Angaben mitsamt Dunstan als Bindeglied zwischen den Traditionen mit und ohne Phantomzeit.
Benignus | ||
viele irische Äbte | ||
Worgret | irischer Abt | |
Lademund | irischer Abt | |
Bregored | letzter irischer Abt | |
[Dunstan | erster englischer Abt, aber erst ab 940 geführt !] | |
Beorhtwald | 670-678 | auch bis 680; 693-731 Erzbischof von Canterbury |
Haemgils | 680-705 | |
Beorhtwald | 705-712 | |
Dunstan | 940-956 | auch ab 942, geb. 909 oder 925; gehört ins 7. Jh. |
Aelsige 956- |
Übergang von der irischen zur römischen Kirche
Für William von Malmesburys Abhandlung über Glastonbury ist Bedas Historia Ecclesiastica Gentis Anglorum eine der Hauptquellen und das Vorbild für die zwischen dem Erzbistum in Canterbury und Beda abgestimmte Datierung nach der alten Inkarnationszeitzählung (= a.Iz.). Der Historiker Beda scheint allerdings die alte Kirche und die Abtei von Glastonbury nicht zu kennen, denn er erwähnt sie in seiner Kirchengeschichte mit keinem Wort.
Ein Grund dafür mag darin liegen, dass Beda das Doppelkloster Wearmouth and Jarrow, in dem er studiert, nach den Regeln des heiligen Benedikt lebt und mehr als vierzig religiöse Werke schreibt, zeit seines Lebens nicht verlässt und deshalb nur über die Verhältnisse in Nordhumbrien Bescheid weiß. Über die sächsischen Königreiche im Süden der Insel kann er nur das weitergeben, was ihm sein Informant aus Canterbury mitteilt. Dies wird auch aus seinem Bericht über Aldhelm ersichtlich. Beda [V/18] erzählt, dass der
„mit kirchlichen Angelegenheiten und in der Kenntnis der Schriften ziemlich vertraute Aldhelm, als er noch Abt und Priester in dem Kloster Stadt des Mailduf (Urbs Maildufi) war, auf Anweisung einer Synode seines Stammes ein ausgezeichnetes Buch gegen die Irrlehre der Briten, nach der diese Ostern nicht zu seiner Zeit feiern und sehr viele andere Dinge entgegen der Reinheit und dem Frieden der Kirche tun, schrieb, und dass durch die Lektüre dieses Buches viele der Briten, die den Westsachsen unterstanden, zur richtigen Feier des Osterfestes des Herrn gebracht wurden.”
Bei dem von Beda erwähnten Buch gegen die Irrlehre der Briten handelt es sich um Aldhelms Werk Epistola ad Geruntium de Synodo und bei Maildufi Urbs um Malmesbury, eine von irischen Mönchen gegründete Klostergemeinschaft, in der um die Mitte des 7. Jh. Aldhelm seine erste Ausbildung erhalten haben soll. Nach 669 soll der schon erwachsene Aldhelm unter Erzbischof Theodor von Tarsus bei Abt Hadrian (669-708) in Canterbury studieren und um 674 in sein altes Kloster als erster Abt von Malmesbury zurückkehren. Aldhelm wird 705 zusätzlich der erste Bischof der neu geschaffenen Diözese von Sherbourne. Als seinen Todestag teilt Beda den 29. Mai 709 mit.
Es wird nicht gesagt, ob 674 noch irische Mönche in Malmesbury leben und Aldhelm sie auf den römischen Ostertermin einstimmen kann, oder ob diese England in Richtung Irland verlassen, wie das von der aus angelsächsischen und irischen Mönchen bestehenden Gemeinschaft in Lindisfarne bezeugt ist, die nach der Synode von Whitby geschlossen mit ihrem Abt Colman über Iowa nach Irland zurückgeht [Laszlo 2008, 175]. Abt Colman von Lindisfarne, selbst Teilnehmer der Synode von 664 (a.Iz.), begründet seinen Standpunkt vor der Versammlung in Streaneshealh wie folgt [Beda, III/25, 286]:
„Das Osterfest, das ich zu begehen gewohnt bin, habe ich von meinen Vorfahren übernommen, die mich als Bischof hierher schickten; alle unsere Väter, von Gott geliebte Männer, haben es bekannterweise in dieser Art gefeiert. Und damit dies nicht jemandem verachtenswert oder tadelnswert erscheinen möge, es ist das gleiche, das der selige Evangelist Johannes, der vom Herrn besonders geschätzte Jünger, mit allen Kirchen, an deren Spitze er stand, der Überlieferung nach gefeiert hat.”
Auch andere irische Klostergemeinschaften in England weigern sich, das Datum des römischen Osterfestes zu übernehmen. Nach Beda eskalieren zum Ende des 7. Jh. die Streitigkeiten zwischen keltisch-irischen und römischen Christen in Nordhumbrien und führen zu ernsthaften Auseinandersetzungen und kriegerischen Handlungen, in denen viele Angelsachsen ihr Leben verlieren oder in Unfreiheit geraten [Laszlo 2007, 175]. Durch die Überzeugungsarbeit der nordhumbrischen Bischöfe und Äbte wird mit der Übernahme des römischen Ritus durch die keltischen Christen in Irland und Schottland zu Beginn des 8. Jh. a.Iz. der Streit beigelegt [Beda, V:19-21].
William von Malmesbury vertraut Bedas Datierung von Aldhelm in das 7./8. Jh. und bezeichnet Aldhelm noch im 12. Jh. in seiner Schrift Gesta Pontificum Anglorum als den bedeutendsten englischen Dichter seit 500 Jahren. Er scheint sich nicht darüber zu wundern, dass das fortschrittliche und christianisierte England ein halbes Jahrtausend lang keinen vergleichbaren Literaten hervorgebracht haben soll.
Williams Sprung in die Phantomzeit
William berichtet, dass 236 Jahre nach Geburt des heiligen Patrick der Missionar Augustinus in England ankommt (anno 597 mit 40 Missionaren auf der Halbinsel Thanet in Kent) und dessen Gefährte Paulinus, Bischof von Rochester (633-644), Glastonbury besucht, dort die Konstruktion der alten Holzkirche verstärkt und das Gebäude von der Spitze her mit Blei deckt. Er soll dies mit einem solchen Geschick handhaben, dass die Kirche nichts von ihrer Heiligkeit verliert und ihre Schönheit vergrößert wird.
Paulinus ist als Bischof von York (625-633) in der nordhumbrischen Mission von sehr erfolgreich, initiiert den Kirchenbau in York und baut in Lincoln eine Steinkirche von ausgezeichneter Ausführung.
Von Paulinus empfängt König Edwin mit den Edlen seines Stammes und dem größten Teil seines Volkes 627 (a.Iz.) den Glauben und die Taufe der heiligen Wiedergeburt. Nachdem Edwin 633 ermordet wird, geht Bischof Paulinus mit der Witwe Aethelburh und den Kindern des Königs nach Kent zurück. Nach Übernahme des verwaisten Bischofssitzes in Rochester erreicht Paulinus 634 nachträglich aus Rom die Ernennung zum Erzbischof von York. Laut Beda [III/14] hatte Paulinus das Bischofsamt insgesamt 19 Jahre, zwei Monate und 21 Tage inne und wurde nach seinem Tod am 10. Oktober 644 in jener Kirche des seligen Apostels Andreas begraben, die König Aethelberht von Grund auf in der Stadt Rochester baute. Paulinus’ Gebeine werden später in die neu erbaute Kathedrale in Rochester überführt und in einem silbernen Schrein bis zur Reformation aufbewahrt.
Für einen Aufenthalt des Paulinus in Wessex ist William die einzige Quelle. Ob Paulinus während seiner Zeit als Bischof von Rochester tatsächlich Glastonbury besucht, oder ob William den Aufenthalt des Missionars in Glastonbury zur Überbrückung und teilweisen Füllung der mittlerweile eingeschobenen leeren Jahrhunderte erfindet und den von Beda ausgewiesenen Fachmann für Kirchenbau zur Erneuerung der Vetusta Ecclesia und damit zur Aufwertung der Kirche und Abtei in Glastonbury missbraucht, ist ungewiss.
Beda [IV/7] berichtet über das Scheitern der ersten Missionsversuche in Wessex durch die Bischöfe Birinus, Agilbert und Wine nach dem Tod König Cynegisls, dessen Sohn Cenwalh (643-674) erst 670 das Christentum annimmt und Leutherius (670-678) als westsächsischen Bischof von Winchester einsetzt.
Diese Mitteilung Bedas nimmt William zum Anlass, von 670-678/80 einen in der Abtei erzogenen, sonst nicht belegten Beorhtwald oder Brihtwold (lat. Berthuualdo oder Berctuald) in die Geschichte einzubinden, dem der vorgenannte König Cenwalh, der siebte westsächsische König nach Cerdic, im 29. Jahr seiner Regierung Land in Meare schenkt.
William behauptet, dass der Name dieses Abtes auf der zweiten Pyramide zu Glastonbury eingetragen ist und es sich dabei um den späteren Erzbischof von Canterbury handelt. Über den konkreten Verbleib dieses Beorhtwald in der Zeit von 678/80 bis 693 schweigt sich William aus, räumt aber ein, dass dieser sich freiwillig nach Reculver begeben haben könnte.
Ob es sich bei dem bei William erstmals belegten angelsächsischen Abt Beorhtwald/Berctuald von 670-678 und der Schenkung Cenwalhs um eine Erfindung des Historikers handelt, oder ob William noch aus alten Quellen schöpfen kann, in denen die Existenz des Abtes und der Zuwendung verzeichnet sind, ist schwer zu sagen. Im Zusammenhang damit steht die Frage, ob William den Namen des Abtes, wenn er ihn denn erfindet, mit Bedacht wählt, damit er zur Aufwertung der Abtei behaupten kann, bei ihm handele es sich um den späteren Erzbischof von Canterbury (693-731). Dessen Name ist auch bei Beda bezeugt, allerdings mit einer anderen Biografie, in der Glastonbury nicht erwähnt wird.
Über den Erzbischof Berctuald von Canterbury schreibt Beda in der Historia Ecclesia… [V/8, 452], dass der
„sowohl von der Kenntnis der Schriften erfüllte, als auch mit den kirchlichen und klösterlichen Grundsätzen gleichermaßen bestens vertraute Abt des an der nördlichen Mündung des Flusses Genlada gelegenen Klosters Reculver am 1. Juli des 692. Jahres nach der Fleischwerdung des Herrn zum Bischof gewählt, am 29. Juni des folgenden Jahres von dem Metropolitanbischof Goduine von Gallien geweiht wurde und am 31. August, einem Sonntag, den Stuhl als Erzbischof von Canterbury bestieg und damit die Nachfolge des 690 verstorbenen Theodor von Tarsus als Erzbischof von Canterbury antrat.”
Beda berichtet weiter, dass Erzbischof Berctuald nach einer Amtszeit von 37 Jahren, 6 Monaten und 14 Tagen am 13. Januar 731 an Altersschwäche stirbt und – wie sein Vorgänger Theodor – in der Kirche begraben wird, da im Porticus, in dem alle vorhergehenden Erzbischöfe von Canterbury begraben wurden, kein Platz mehr ist.
Auch hier schreibt Beda offensichtlich das, was ihm sein Informant aus Canterbury mitteilt. Bemerkenswert ist Bedas Mitteilung, dass Berctuald vor 693 Abt im Kloster in Reculver war. Da diese Abtei der Benediktiner erst um 900 gegründet wurde, ist dies wiederum ein Beleg für die Phantomzeit!
Mit der Datierung nach alter Inkarnationszeitzählung wird die Kontinuität Bedas und der von ihm abhängigen Quellen bewahrt. Das bedeutet, dass die Ereignisse und Personen, die Beda ab 614 in der Historia Ecclesia… erwähnt, in der von ihm angegebenen Zeit bestehen bleiben und weiter geführt werden müssen, obwohl sie nach dem Einschub der Phantomzeit in die Zeit nach 911 gehören. Das gilt auch für die Schriften Williams von Malmesburys, soweit er auf Bedas Kirchengeschichte zurückgreift oder in die Phantomzeit hinein datiert.
Durch die Kontakte zum Kontinent wird in den sächsischen Königreichen im Süden Englands die Nachphantomzeit ab der zweiten Hälfte des 10. Jh. bekannt und für alle neuen Entwicklungen eingeführt. Sie geht peu à peu in die so genannte neue Inkarnationszeit über, so dass nach den eingeschobenen drei leeren Jahrhunderten im Zuge der normannischen Eroberung in England wieder der Zusatz „nach der Fleischwerdung des Herrn” verwendet wird.
Diese Umstände bewirken, dass für eine gewisse Zeit ab der zweiten Hälfte des 10. Jh. in England zwei verschiedene Datierungen gelten und angewandt werden, die zu Verwirrungen führen, mit denen nicht nur die zeitgenössischen Chronisten zu kämpfen hatten, sondern die den Historikern bis heute Rätsel aufgeben.
Die von einem anonymen Schreiber rückwirkend erstellte Continuatio Bedae mit Annalen bis 766 bewirkt ein kontinuierliches Auslaufen der alten Inkarnationszeit und gleichzeitig eine Fortführung dieser Zeit bis zur normannischen Eroberung, mit der dann der Zeitsprung über die 300 Leerjahre endgültig besiegelt und legitimiert wird. Durch die Aufrundung der Phantomzeit von 297 auf 300 Jahre machen sich die drei überzähligen Jahre in England rechnerisch öfters bemerkbar.
Nach dem Tod König Cenwalhs von Wessex, 674, übernehmen Unterkönige die Herrschaft über den Stamm der Westsachsen, teilen sie unter sich auf und haben sie ungefähr 10 Jahre inne [Beda, IV/12].
Um einen solchen Unterkönig handelt es sich bei Centwine, von dem William schreibt, dass er auf Bitten von Bischof Haeddi und der Mönche von Glastonbury in 680 Abt Haemgils (Hemgisel) für seine konstanten Dienste für den Glauben zum Nachfolger von Abt Beorhtwald für 25 Jahre ernennt und den Brüdern der Abtei das Recht verleiht, ihren Abt gemäß der Regel des heiligen Benedikt selbst zu wählen. König Centwines Reliquien sollen auf dem Friedhof der Mönche von Glastonbury in der Pyramide ruhen, die einst edel geschnitzt war.
681 gibt der Unterkönig Baldred mit Zustimmung Centwines und der Autorisation und Bestätigung durch Bischof Haeddi und Abt Aldhelm dem Abt Haemgils für die Unterstützung der zu Glastonbury gelegenen verehrungswürdigen Kirche der gesegneten Maria und des gesegneten Patrick reichlich Land und Fischrechte.
Bischof Haeddi, der nach dem Tod des Bischofs Leutherius das Bischofsamt in Winchester verwaltet und von Erzbischof Theodor von Canterbury in London geweiht wird, schenkt im gleichen Jahr 681 mit Zustimmung von Centwine und Baldred der Abtei Glastonbury weiteres Land. Die Schenkung wird von Caedwalla bestätigt, der seiner Unterschrift eigenhändig das Zeichen des Kreuzes hinzufügt, obwohl er Heide ist, wie William ausdrücklich betont.
Haeddi (676-705), Aldhelm 674-709) sowie Caedwalla (685-688) sind aus Bedas Kirchengeschichte bekannt und dienen William zur Etablierung seiner Glaubwürdigkeit. Bischof Haeddi wird aber auch im 12. Jh. in Verbindung mit der Schlacht von Maldon in 991 erwähnt, ist demnach als Doppelgänger ein Beleg für die Phantomzeit!
Caedwalla muss nach 681 Christ geworden sein. Beda beschreibt ihn als einen zwiespältigen Regenten, der, nach dem Sieg über die Unterkönige von Wessex 685 die Königsherrschaft als rasender Tyrann antritt, nach zwei Jahren abdankt und, von der Liebe zum himmlischen Reich erfasst, nach Rom geht und sein Leben beschließt.
König Ine und Glastonbury
Nach Caedwallas Weggang nach Rom wird Ine König in Wessex (688-726). William übernimmt seine Daten von Beda und belässt den westsächsischen König im 7./8. Jh., ohne zu erkennen oder erkennen zu wollen, dass Bedas Kirchengeschichte umdatiert werden muss, weil 300 Jahre Phantomzeit eingefügt wurden. Da Beda Ine zwar erwähnt, aber nicht viel über ihn zu berichten weiß, glaubt sich William hier auf sicherem Boden, auf dem er seine übertriebene Berichterstattung über König Ine aufbauen kann.
William beschreibt Ine als übergroßen Wohltäter der Kirche und Abtei in Glastonbury. Er soll das Kloster nicht nur mit Ländereien und anderen Besitztümern ausstatten, sondern auch mit dem Privileg der freien Ausübung der klösterlichen Disziplin gemäß der Regel des hl. Benedikt ohne Behinderung durch weltliche oder finanzielle Belastungen. Dies soll 704 auf Rat und Ent scheidung des Bischofs Aldhelm von Malmesbury unter Abt Haemgils in der hölzernen Kirche von Glastonbury auf einer Urkunde von Prinzen, Ealdormen und Edlen öffentlich bestätigt werden. Ein Jahr später stirbt Abt Haemgils und findet seine letzte Ruhestätte in der alten Kirche von Glastonbury.
Nach der offiziellen Klostergründung durch Ine erhält Glastonbury reiche Zuwendungen durch den Gründer selbst und viele andere Zeitgenossen, unter anderem auch von Bischof Wilfried. Ine gründet nicht nur das Kloster, sondern auch die größere Kirche zu Ehren der Apostel Peter und Paul, so dass nunmehr fünf Kirchen in Glastonbury vorhanden sind.
Die erste und älteste ist die westlichste von allen und wird von den zwölf Missionaren gegründet, die 63 unter Leitung von Philipp und Jakobus nach Yniswitrin kommen.
Die zweite wird östlich der älteren Kirche von dem heiligen David, dem Bischof von Menevia, und sieben ihm untergebenen Bischöfen zu Ehren der heiligen Maria gebaut und geweiht;
die dritte wird von zwölf Männern erbaut, die aus dem Norden Britanniens kommen. Diese Kirche ist ebenfalls östlich der alten Holzkirche gelegen.
Die vierte und größte wird östlich der anderen Kirchen zu Ehren unseres Herrn und Heilands und der Apostel Petrus und Paulus von Ine konstruiert für die Seele seines Bruders Mul, den die Kenter verbrannt haben. Auch die auf der Spitze eingeschriebenen Verse führt William an; es sind die von Beda für Caedwallas Grab in Rom tradierten.
Gemäß William soll Ine auch noch – als fünfte – eine unter der größeren Kirche gelegene Kapelle aus Gold und Silber in Glastonbury bauen, deren Inventar ebenso vor Edelmetall und -steinen nur so strotzen soll; weitere Landschenkungen und Privilegien an das Kloster verstehen sich. (Keine dieser Kirchen besteht mehr; nach dem Brand von 1184 wurden gotische und neoromanische Kirchen aufgeführt, heute Ruinen [Illig 702 ff.].)
In einem goldenen Gefäß soll König Ine dem Papst diese Urkunde mit anderen königlichen Geschenken geschickt haben mit der Bitte um Aufnahme von Glastonbury in den Schutz der heiligen römischen Kirche. Noch im gleichen Jahr soll sich Ine nach Rom begeben und die mit dem päpstlichen Siegel versehene Urkunde nach Glastonbury zurückbringen. Später geht Ine mit Königin Aethelberg nach Rom und lebt dort Gott wohlgefällig, einfach und bescheiden bis zu seinem Tod, nicht aber ohne große Wunder, wie William gehört haben will.
Nach Ines Weggang in 726 wird Aethelheard König von Wessex. Er gewährt Coengils, dem frommen Abt des Klosters von Glastonbury, 729 weiteren Landbesitz.
744 bestätigen König Cuthred (740-756), die Bischöfe Hereweald und Daniel und viele andere Edelleute der alten Stadt Glastonbury im Zeichen des Kreuzes unwiderruflich alle Landschenkungen durch die Könige von Wessex und den mercischen König Aethelbald. Bis zu diesem Zeitpunkt stehen Williams Angaben mit den von ihm benutzten Quellen im Einklang und die angegebenen Zeiten (nach a.Iz.) sind mit den westsächsischen Königen und Kirchenleuten kompatibel.
Abt Tyccea von Nordhumbrien
Da William den Inhalt der Continuatio Bedae nicht kennt, füllt er das zweite Drittel des 8. Jh. mit der Geschichte des in keiner anderen Quelle genannten Abts Tyccea, den er alternativ 744 oder 754 als Abt von Glastonbury für sechs Jahre nennt.
William beginnt seine Erzählung über Abt Tyccea damit, dass einige Zeit später die Dänen viele Jahre lang Nordhumbrien angreifen, während der Rest Englands unter keinen Angriffen leidet. Auf der Flucht vor den dänischen Piraten soll Tyccea aus diesen Landesteilen in den Westen emigrieren und sich nach Glastonbury zurückziehen. Ungeachtet der beachtlichen Entfernung soll Tyccea die Reliquien von ungefähr einem Dutzend Äbten, Bischöfen und Priestern aus verschiedenen Orten seines Heimatlandes mitbringen. Dabei zählt William alles auf, was im frühen Christentum in Nordhumbrien Rang und Namen hat, von Bischof Aidan von Lindisfarne bis zur Äbtissin Hilda von Streaneshealh, mittlerweile Whitby. William geht nicht darauf ein, wie Tyccea diese Vielzahl an Gebeinen zusammen getragen und nach Glastonbury transportiert haben soll, die dort über dem Altar platziert werden und viel zur Reverenz des Ortes beitragen. Selbstverständlich erhält auch Abt Tyccea ein würdiges Begräbnis und ein wegen seiner Größe und der künstlerischen Eingravierungen bemerkenswertes Grabmal mit Inschrift, rechterhand in der Ecke der größeren Kirche neben dem Eingang zur alten Kirche.
Mit dem sonst nirgends belegten Abt Tyccea beginnt die Konfusion in der Berichterstattung Williams von Malmesbury. In De Antiquitate … [Kap. 47] nennt er das Jahr 754, in dem Tyccea als Abt die Leitung der Kirche in Glastonbury übernimmt und von einem König namens Sigebertus (Sigeberht), der nur ein Jahr regiert [Scott, 200], Land erhält. In Kap. 71 dagegen lässt William die sechsjährige Amtszeit des Abts Tyccea bereits 744 beginnen, also zehn Jahre früher, nennt schon ab 746 den Abt Cuma für 2 Jahre und ab 754 den Abt Wealdhun für 32 Jahre, dem Cynewulf 762 Land geschenkt hätte, was aber nicht gut möglich ist.
Regelrecht aus den Fugen gerät das Kapitel 48 über Abt Guba, dem König Cynewulf 760 Land zukommen lassen soll. Erstens ist Guba in Kapitel 71 bereits 743 als Abt für zwei Jahre dokumentiert, zweitens ist König Cynewulf 757 im Jahr seiner Thronbesteigung ermordet worden, kann also 760 oder 762 keine Zuwendungen mehr machen. Da William ein vor der normannischen Eroberung erstelltes Exemplar von Bedas Historia Ecclesia… benutzt, kennt er die Continuatio Bedae nicht, in der Cynewulfs Tod im Jahr 757 a.Iz. mitgeteilt wird.
So kann William, wie schon die Verfasser der Angelsächsischen Chronik, der Chronik des Florence von Worcester und der Vita Alfredi, die fälschlich verlängerte Lebenszeit Cynewulfs bis 786 als Übergang in das letzte Drittel des 8. Jh. der Phantomzeit verwenden.
Über die Reliquien der Abtei Glastonbury
Wegen der fehlenden Zeit und der unterschiedlichen Zeitangaben, die William nicht verborgen geblieben sein können, kommt er beim Übergang zum zweiten Teil der Phantomzeit ‘ins Schwimmen’.
Immerhin kommen die Gebeine von Erzbischof David von Dyfed mit einer 300-jährigen Verspätung durch einen Zufall oder Notfall nach Glastonbury. Umgekehrt ist es bei dem hl. Indract, der um das Jahr 1000 das Martyrium erlitten haben soll: Die Gebeine von ihm und seinen Gefährten soll König Ine aber schon um 700 nach einer göttlichen Vision von dem Platz ihres Martyriums nach Glastonbury gebracht haben. Indract soll in einer Steinpyramide zur Linken des Altars, seine Gefährten unter dem Fußboden begraben worden sein. In beiden Fällen ist der Einschub der Phantomzeit die Ursache für die Zeitdifferenz von 300 Jahren.
Um von dem Problem der unterschiedlichen Zeitbenennung und dem dadurch verursachten Chaos abzulenken, befasst sich William weiter mit der Ansammlung von Reliquien in Glastonbury und springt dabei willkürlich vom 7. zum 10. Jh. hin und her.
Die Reliquien aller Heiligen, die in Glastonbury von Königen und Magnaten gesammelt werden, im Detail aufzuzählen, würde nach Williams Meinung die Aufnahmefähigkeit seines Buches bei weitem übertreffen, aber er vertröstet die Leser, da die Namen ja in den Evangelienbüchern verzeichnet seien.
Trotzdem nennt er noch einen riesigen Schwall an Namen von Heiligen und verweist auf noch mehr ungenannte Verstorbene, deren Reliquien als Geschenke von Königen, Prinzen, Bischöfen und anderen Edlen, deren Namen noch in alten Büchern der Kirche verzeichnet sind, nach Glastonbury gebracht wurden, darunter aus Wales, als die Christen dort verfolgt wurden, oder aus dem Königreich Nordhumbrien, als dort die Dänen hausten. So hat sich die Abtei mittlerweile zu einem ‘Lagerhaus’ von Heiligen entwickelt, von deren Namen William kein komplettes Wissen hat, die sich aber der Kontemplation und Kenntnis sowie des Wohlwollens Gottes erfreuen.
William scheint erleichtert, als er bei dem frommen König Edgar (939- 975) als Reliquienspender ankommt und nennt zwei Unbekannte, die der König im 10. Jh. von einer Reise nach Bethlehem mitgebracht und der Reliquiensammlung in Glastonbury einverleibt haben soll. Damit hat er die Phantomzeit ausgefüllt, ohne genaue Daten zu nennen, und befindet sich mit König Edgar wieder in der realen Nachphantomzeit. Er schließt die Kapitel über die Reliquien von Glastonbury ab mit einer ausführlichen Darstellung der Überführung der Gebeine Dunstans von Canterbury nach Glastonbury unter dem Protektorat des Königs Edmund Ironside in 1012.
Spenden an Glastonbury in der Phantomzeit
Der Kirchenmann William von Malmesbury, der in der ersten Hälfte des 12. Jh. schreibt, kann es sich nicht leisten, die von der Kirche sorgfältig vertuschte und kaschierte Phantomzeit zuzugeben. Er muss vielmehr so tun, als wüsste er nichts von einem Einschub der Leerzeit.
Für die erste Hälfte der Phantomzeit hält er sich strikt an die alte Inkarnationszeitzählung der Historia Ecclesia… und die darauf aufbauenden Datierungen, ungeachtet dessen, dass drei Jahrhunderte eingeschoben werden und Bedas Berichte ab 614 mit der Zeit nach 911 übereinstimmen.
Da William die Existenz der Phantomzeit nicht realisiert, muss er sie weiterhin ausfüllen und ist dabei auf Legendenbildungen und vielfach gefälschte Urkunden und Biografien angewiesen, da es für diese niemals existierende Zeit keine Geschichte gibt.
Die Anreicherung der Phantomzeit mit einer maßlosen Ansammlung von Reliquien in Glastonbury wird noch bei weitem übertroffen von den vielen Zuwendungen an Besitztümern, die das Kloster angeblich in den drei leeren Jahrhunderten erhalten haben soll.
In den Kapiteln 49-51 bringt William seinen eigenen Beitrag zur Füllung der Phantomzeit, den er in zwei naive und plumpe Urkunden kleidet, die jeder Logik und Glaubwürdigkeit entbehren.
Für das Jahr 796 arrangiert er ein Phantomzeitszenario, bestehend aus Papst Leo III., dem im Frankenreich regierenden Karl dem Großen und den englischen Königen Beorhtric von Wessex und Cenwulf von Mercien. Wer mehr über diesen Papst und diese Könige wissen will, den verweist William auf sein Buch Die Taten der Könige von England. Für den Augenblick hält er es für ausreichend, nur die Namen zu erwähnen, da sie seiner Meinung nach sehr wichtig sind für das, was er zu erklären versucht, nämlich, dass Papst Leo den Besitz des Klosters von Glastonbury mit 800 Hiden (à 25 bis 50 Hektar) Land einem König Cynehelm sowie dessen Volk und Nachfolgern zugesteht, so dass das Kloster ungestört die Religion für alle Zeit ausüben kann. Leos Vorrechte will William nicht anders als in Englisch vorfinden und macht sich erst einmal daran, die Urkunde in Latein zu übersetzen, so gut er die Bedeutungen versteht. Die Formulierung „so gut er die Bedeutungen ver steht” weist darauf hin, dass William als Sohn eines normannischen Adligen und einer Engländerin die altenglische Sprache nicht gut beherrscht; dies kann aber auch als Schutzbehauptung gedacht sein.
Nach dieser Urkunde soll Papst Leo einem König Cynehelm, seinen Gefolgsleuten, Verwandten und Nachfolgern seine Wünsche für Frieden und ewige Seligkeit schicken und, in Zusammenarbeit mit Cenwulf, dem König der Mercier, aufgrund seiner apostolischen Macht und Autorität ohne Verzögerung das Recht erteilen, das Kloster mit den von Königen, Bischöfen und Prinzen gewährten, in vielen Provinzen und Regionen gelegenen Ländereien ohne Behinderung für immer zu führen unter der Bedingung, dass ständig Kerzen vor dem Altar angezündet und spirituelle Gesänge, Psalmen und Messen gesungen werden sowie eine echte Gemeinschaft geführt wird. Unter Androhung der Strafe Gottes und der ewigen Exkommunikation darf kein König, Erzbischof, Bischof oder Prinz, welche Macht er auch im Leben erreicht oder auf welche Anordnung er handelt, mit Gewalt diese päpstlichen Privilegien beschädigen oder zurücknehmen.
Die Urkunde soll am 8. März des dritten Jahres von Papst Leo im päpstlichen Sitz St. Peter in Rom mit Erlaubnis unseres Herrn Karl, des Königs der Franken, Lombarden und Patrizier der Römer im 25. Jahr seiner Regierung von dem päpstlichen Hauptnotar Eustace und einem Berater namens Paschal verfasst worden sein.
In einer weiteren von William angeführten Urkunde soll Cenwulf (796- 821), ein Jahr nach seiner Wahl zum König von Mercien, dieses Privileg von Papst Leo an König Cynehelm und seine Nachfolger bestätigen und von zahlreichen Geistlichen unterschreiben lassen.
Warum William behauptet, die Urkunde des Papstes Leo nur in Englisch vorzufinden, obwohl sie in Rom hergestellt worden sein soll, wo kein Mensch Altenglisch spricht, warum Karl der Große, den er „unser[n] Herr Karl, König der Franken, Lombarden und Patrizier der Römer” nennt, dem Papst die Erlaubnis zur Erteilung der Privilegien geben soll und warum Leo das westsächsische Kloster mitsamt dem angesammelten Besitz von 800 Hiden einem unbekannten König Cynehelm zugesteht und nach Mercien transferiert, ist nicht nachvollziehbar. Es stellt sich auch die Frage, ob William die gefälschten Urkunden tatsächlich vorfindet, ob er sie sich selbst ausdenkt oder ob es sich um nachträgliche Interpolationen eines Kopierers handelt. Sicher ist, dass die erfundenen Urkunden der Füllung der Phantomzeit im letzten Drittel des 8. Jh. dienen sollen. In den Zusammenfassungen der Zuwendungen an Glastonbury in Kapitel 69 und 70 werden die Privilegien des Papstes und König Cenwulfs nicht mehr erwähnt, genau so wenig, wie an einer anderen Stelle.
Entweder zum Selbstschutz und zur Erhöhung der Glaubwürdigkeit oder aus Unwissenheit führt William oder der spätere Interpolierer aus, dass er nicht sicher ist, wer dieser Cynehelm ist, dem Papst Leo und König Cenwulf von Mercien so große Freiheiten zugestehen. Um es noch verwirrender zu machen, wird berichtet, dass König Cenwulfs Sohn auch Cynehelm hieß, dass der aber dieser König nicht sein kann, da er durch ein Verbrechen seiner Schwester kurz nach dem Tod des Vaters ermordet wird, als er kaum sieben Jahre alt ist, und die Privilegien außerdem schon im zweiten Jahr von Cenwulfs Regierung gewährt werden, der danach noch 24 Jahre regiert.
Danach will William plötzlich nichts mehr von der ganzen Geschichte wissen und schlägt vor: „Aber lasst uns diese Angelegenheit beiseite legen und in unserem Unternehmen fortfahren”.
Mit König Beorhtric von Wessex, der in den Kapiteln 49 und 50 jeweils kurz erwähnt wird, ist William bei den phantomzeitlichen Königen von Wessex angelangt.
Die eigens zur Füllung der Phantomzeit rund 100 Jahre vorher gefälschte Vita Alfredi kennt William nicht. Das ist auch kein Wunder, denn das einzige jemals vorhandene Exemplar dieser Biografie liegt zu Williams Zeit vermutlich schon wohlverwahrt in Canterbury, wo es 1574 von Erzbischof Mathew Parker entdeckt und gedruckt wird.
Dafür stehen William die Chroniken des Byrhtferth von Ramsey und des Florence von Worcester mit Auszügen und Teilabschriften aus der Vita Alfredi zur Verfügung, nicht zuletzt auch die Angelsächsische Chronik, die der Vita Alfredi in Bezug auf Lebenslauf und Verdienste Alfreds gleichgeschaltet ist. Aus diesen Chroniken entnimmt William die Namen und Daten der Phantomzeitkönige, zu denen er die passenden Äbte von Glastonbury, mit einer jeweils möglichst langen Amtszeit, erfindet.
Der Nachfolger von König Beorhtric ist König Egbert, Alfreds imaginärer Großvater. Er soll 802, also nur einige Jahre nach den erteilten Privilegien durch Papst Leo, der Kirche von Glastonbury viel Land schenken, und zwar auf die Bitte von Abt Muca.
Der auf Muca für 27 Jahre folgende Abt Guthlac verkauft 824 ein kleines Stück Land für horrendes Geld [Kap. 52]. Vermutlich soll der Eintrag den enormen Geldwert des Besitzes von Glastonbury demonstrieren.
851 erhält der auf Guthlac 840 für 16 Jahre folgende Abt Ealmund mit Genehmigung des Bischofs Aelfstan Ländereien von König Aethelwulf, der frommerweise ein Zehntel seines Besitzes den Kirchen in seinem Königreich zukommen lässt. König Aethelred, der Sohn Aethelwulfs, gibt seinem Gefolgsmann Wulfhere Land, das dieser unmittelbar an Glastonbury spendiert.
867 gibt Aethelbald, König Aethelwulfs Sohn, an Abt Hereferth für die alte Kirche der gesegneten Gottesmutter Maria Grundbesitz und Fischereirechte. Gleichzeitig gibt Alfred, Bruder von Aethelbald und Sohn von Aethelwulf, ein Stück von dem Kreuz des Herrn, das er von Papst Martin erhalten haben soll. Alfreds Spende eines Kreuzes, das aus dem Kreuz des Herrn gefertigt sein soll, wird in Kapitel 69 noch einmal wiederholt.
Diese Mitteilung ist vollkommen durcheinander geraten, denn Abt Hereferth ist schon 849 für 14 Jahre als Abt eingeteilt und demzufolge in 867 gar nicht mehr im Amt, und ein Papst Martinus wird in der Alfred zugewiesenen Zeit auch nicht geführt. Es ist Williams einzige direkte Information über Alfred; an vier weiteren Stellen wird Alfreds Name noch als Vorfahr oder Verwandter von Landspendern genannt, die das Kloster beschenken.
Es ist sehr ungewöhnlich, dass William Alfreds Namen als Bruder von Aethelbald und Sohn von Aethelwulf zwar mit der angeblichen Spende der Kreuzreliquie und als Verwandter von anderen Spendern einige Male erwähnt, aber nichts über Alfreds in den oben erwähnten Chroniken ausführlich geschilderte Bedeutung sagt und noch nicht einmal berichtet, dass es sich bei ihm auch um einen König handelt.
Warum legt William sich bei Alfred eine so große Zurückhaltung auf? Weiß er vielleicht, dass Alfred eine Fiktion ist? Was weiß William von Malmesbury, das er aber aus Solidarität nicht sagen darf?
Auf Hereferth folgen weitere erfundene Äbte: 890 Stihtheard für 11 Jahre, 905 Aldhun für 34 Jahre; ihm soll König Edward 922 Compton zurückgegeben haben. Ab 927 dann Abt Aelfric für 14 Jahre, dessen Doppelgänger 300 Jahre früher bei Beda [208] genannt wird, allerdings nicht als Abt von Glastonbury, sondern als Onkel des Königs Edwin von Nordhumbrien und Vater von Edwins Nachfolger Osric.
Dunstan wird Abt von Glastonbury
Nach der Überlieferung wird Dunstan in dem Ort Baltonsborough in der Nähe von Glastonbury als Sohn einer dem Königshaus nahe stehenden, adligen Familie geboren. Als seine Eltern werden Heorstan und Cynethryth genannt. Der Vater, angeblich ein Bruder der Bischöfe von Winchester und Wells, soll den handwerklich und musisch begabten Jungen sehr früh – üblich für die damalige Zeit ist ein Alter von 5 bis 7 Jahren – als puer religiosus in das Kloster Glastonbury gegeben haben. Wann dies geschieht, wird nicht gesagt.
Der Biograf Osbern legt Dunstans Geburt in das erste Jahr von König Athelstans Regierungszeit. Das Biographisch-Bibliographische Kirchenlexikon übernimmt diese Angabe und schreibt, dass Dunstan 925 in der Nähe von Glastonbury in Somerset geboren wurde. Dieses Geburtsjahr lässt sich aber mit anderen Ereignissen aus Dunstans Leben nicht in Einklang bringen, da er sonst schon im jugendlichen Alter Abt geworden wäre.
Über Dunstan existieren mehrere Biografien und Chroniken. Die älteste Lebensbeschreibung wird wenige Jahre nach seinem Tod verfasst und ist Erz bischof Ælfric von Canterbury gewidmet, der das Amt von 995-1005 innehat. Die Biografie ist unter dem Pseudonym „B” geschrieben und bereits 1004 in Frankreich bekannt, so dass die Entstehungszeit zwischen 995 und 1004 liegen muss. Es gibt mehrere Vermutungen, wer sich hinter dem anonymen Autor „B” verbirgt, ohne dass Gewissheit über die Person des Biografen gewonnen werden konnte.
Die zweite Biografie verfasst der Mönch Adelar von Gent; er widmet sie dem 953 geborenen Erzbischof Ælfheah von Canterbury, der 1005 das Amt übernimmt und 1012 von den Dänen als Geisel genommen und ermordet wird. Damit dürfte für dieses Werk eine Entstehungszeit zwischen 1005 und 1012 feststehen.
Die anderen Viten und Chroniken über Dunstan stammen aus dem späten 11. oder aus dem 12. Jh. und sind, wie das in der Zeit nach der normannischen Eroberung üblich war, in vielen Einzelheiten voneinander abgeschrieben. Vieles ist hagiographisch verbrämt, mit Wundern und Legenden ausgeschmückt. Dunstans Tod wird in allen Biografien übereinstimmend am 19. Mai 988 angegeben.
Das Ökumenische Heiligenlexikon und fast alle modernen Interpreten legen Dunstans Geburt nicht in das Jahr 925, sondern in das Jahr 909. Bei Berücksichtigung der von Illig aufgestellten These über eine Phantomzeit von 297 Jahren wäre das im Jahr 612 a.Iz., das heißt, Dunstan wäre vor der Phantomzeit geboren worden und hätte den größten Teil seines Lebens danach verbracht.
Dies ist auch der Grund, warum Dunstans Geburt und seine frühen Jahre datenmäßig in den zahlreichen erst nach seinem Tod erstellten Quellen nicht oder nur unzureichend und lückenhaft erfasst werden. Als um das Jahr 1000 die erste Biografie über Dunstan geschrieben wird, ist die Phantomzeit schon eingeführt, zumindest in Frankreich, wo diese Biografie für 1004 nachgewiesen und vielleicht von einem englischen Emigranten erstellt wurde.
Nach allen Biografien wird Dunstan ab den 40er Jahren des 10. Jh. Abt von Glastonbury. Allerdings variieren die Angaben über das Jahr seiner Ernennung. In der Chronik des Florence von Worcester wird das Jahr 942 angegeben, in der Angelsächsischen Chronik 943. Da er die ersten Urkunden als Abt in 946 beurkundet, muss er spätestens ab diesem Zeitpunkt das Amt ausgeübt haben. Was er in der Zeit davor macht, bleibt im Dunkeln oder wird nur legendenhaft dargestellt.
So soll er sich beispielsweise als Berater des westsächsischen Königshauses, mit dem er verwandt sein soll, verdient gemacht haben, durch sein rigoroses Eintreten für Recht und Ordnung aber in Ungnade gefallen und aus dem Palast verwiesen worden sein. Neider sollen ihn daraufhin verprügelt und in eine Jauchegrube geworfen haben, aus der er sich retten und bei seinem Onkel, dem Bischof von Winchester, Schutz suchen konnte. Dieser Onkel soll ihn dazu bewegt haben, Mönch zu werden. Aus dieser Mitteilung lässt sich schließen, dass der Beruf eines Geistlichen nicht von Anfang an für Dunstan geplant war. Dafür spricht auch sein Interesse für handwerkliche Arbeiten.
Übereinstimmend berichten alle Biografien und Chroniken, dass Dunstan durch irische Mönche in Glastonbury ausgebildet wird. Über den Zeitpunkt und seine Lehrer wird sorgfältig geschwiegen.
Wie aus Bedas Historia Ecclesia… bekannt, verlassen nach der Synode von Whitby, 644 a.Iz., die letzten irischen Klostergemeinschaften, wie Abt Colman von Lindisfarne und seine Mönche, England und gehen zurück nach Irland oder sie unterwerfen sich der Oberherrschaft des Erzbistums in Canterbury und den Regeln der römischen Kirche. Damit ist die Zeit der irischen Mönche in England endgültig vorbei.
Dieser Sachverhalt ist ein entscheidender Beweis für die Existenz der Phantomzeit. Denn gesetzt den Fall, es hätte keine Phantomzeit gegeben und die Zeit wäre real 300 Jahre weitergegangen, könnte Dunstan im 10. Jh. niemals seinen ersten Unterricht von irischen Mönchen erhalten haben, wie es aber nicht nur in den Biografien und Chroniken des 11. und 12. Jh., sondern auch in der modernen Sekundärliteratur über Dunstan einvernehmlich berichtet wird. Interessanterweise hat an dieser Tatsache bisher noch niemand irgendwelche Zweifel geäußert, ein Zeichen dafür, wie oberflächlich die Urkunden, Chroniken und Biografien in England bisher erforscht und ausgewertet worden sind.
Aber eine Dummheit macht auch der Gescheiteste und das gilt auch für die Biografen von Dunstan. Es ist sogar nicht nur eine, sondern es sind gleich zwei. Die erste ist die Überlieferung, dass Dunstan von irischen Mönchen erzogen wurde. Die zweite ist noch überzeugender für die Existenz der Phantomzeit.
Dunstan, der erste Abt der englischen Nation
In der Lebensbeschreibung des Autors B. wird Dunstan ausdrücklich als primus abbas Anglicæ nationis bezeichnet, also als der „erste Abt der englischen Nation”, was äußerst wichtig und aufschlussreich ist. Erster Abt der englischen Nation kann nur zutreffen, wenn das 10. Jh. mit dem 7. zusammen fällt. Der Passus „Erster Abt der englischen Nation” wird von den Interpreten bisher entweder überlesen oder als „Primus inter Pares”; gedeutet, da nicht sein kann, was nicht sein darf.
Alles in Dunstans Leben deutet darauf hin, dass er, wie in den Biografien berichtet, der erste angelsächsische Abt in England ist, der nach den drei irischen Äbten Worgret, Lademund und Bregored und vor Beorhtwald um 640 Abt von Glastonbury wird. Mit Hilfe seiner Beziehungen zum Königshaus und den Bischöfen von Wells und Winchester fördert Dunstan das erste römische Christentum in Wessex und hilft es aufzubauen.
Nach der Überlieferung gründet Dunstan das Kloster Malmesbury. Das ist jedoch nur möglich, wenn er im 7. Jh. lebt und wirkt, da Aldhelm schon 674 der erste angelsächsische Abt von Malmesbury wird. Aldhelm wird bei Beda genannt und, genau wie Hilda, Äbtissin im Kloster in Streaneshealh, in das 7. Jh. gesetzt, wo beide auch bis heute geblieben sind. Dagegen wird Dunstan nirgends nach alter Inkarnationszeitrechnung dokumentiert. In den nach seinem Tod erstellten Biografien und Chroniken setzt man ihn in das 10. Jh. und dort ist er bis heute geblieben.
Das Statement über Dunstan als ersten Abt der englischen Nation ist der Zensur entkommen und wird in der nach 1070 von Osbern verfassten Biografie über Dunstan wiederholt. Welche der Biografien William von Malmesbury benutzt, ist nicht ersichtlich. Er geht auf den Verfasser nicht ein, sondern bezeichnet ihn nur abfällig mit „jener Mann”, über den er sagt: „Ich denke, dass alle Leute wissen, wie weit entfernt von der Wahrheit jener Mann war, der den Unsinn verbreitete, der gesegnete Dunstan sei der erste Abt von Glastonbury.” Damit ist das Thema für ihn beendet, die wichtige biografische Mitteilung wird von ihm nicht weiter beachtet, was in jeder Beziehung verdächtig ist [Kap. 55].
William äußert sich nicht über Dunstans Vorleben. So kann er die in den Lebensbeschreibungen überlieferte Mitteilung, dass Dunstan bei irischen Mönchen ausgebildet wird, verschweigen und braucht sie nicht zu kommentieren, obwohl er weiß und auch an anderer Stelle mitteilt, dass die irische Tradition in Glastonbury mit den oben genannten irischen Äbten im 7. Jh. ausläuft.
Abt Dunstan ist ein Beispiel dafür, wie perfekt die Kleriker bei dem Verschweigen oder Verschleiern der ersten Lebensjahrzehnte und der Korrektur oder dem Vernichten aller eventuell vorhandenen Dokumente jener Zeit zusammen arbeiten, damit nichts erhalten bleibt, das die Phantomzeit betrifft und bestätigt. Trotzdem ist England der Platz, an dem die drei eingeschobenen Jahrhunderte dank der Hinweise in den Chroniken eindeutig und lückenlos nachgewiesen werden können.
Um Dunstan in das 10. Jh. einzufügen, muss William so tun, als hätte es wirklich 300 Jahre gegeben, in denen all das passiert wäre, was er über die erfundene Zeit berichtet hat. William tut das Klügste, was er machen kann. Er schweigt darüber. Er sagt nichts mehr über König Ine, die von ihm erbaute Kirche und die Kapelle samt Zubehör aus Gold, Silber und Edelsteinen, da es diese, wenn sie überhaupt jemals errichtet wurde, zur Zeit Dunstans noch nicht gibt, weil Ine in der Geschichte erst nach Dunstan kommt. William sagt auch nichts mehr über die in Glastonbury in der Phantomzeit angesammelten Reliquien, Schätze und Besitztümer, sondern fängt ganz von vorne an und tut so, als ob die Abtei und der verehrungswürdige Abt Dunstan auf die Zuwendungen der Könige angewiesen wären, wie es im 7. Jh. ja auch der Fall ist.
Wir erfahren von William von Malmesbury auch nichts über Dunstans eigentliches Verdienst. William erkennt nicht oder sagt nicht, dass Dunstan das bisher stets vermisste Äquivalent in Wessex verkörpert, das die ersten christlichen Bischöfe und Könige vor der Zeit Bedas in Nordhumbrien darstellen. Er erzählt nicht, dass Dunstan durch sein engagiertes Auftreten und seine Kontakte zum Königshaus für das Aufblühen des römisch-katholischen Christentums in England sorgt, dass er mehrere Klöster gründet, darunter auch Malmesbury, für das Aldhelm ab 674 der erste angelsächsische Abt wird. Dass Dunstan ohne eine Phantomzeit als Gründer von Malmesbury nicht in Frage kommt, braucht William nicht zu erklären, da er die Daten über Aldhelm einfach von Beda übernimmt.
Im Gegensatz zu den Biografen hat William aber die Schwierigkeit, Dunstan zwischen die Äbte des 10. Jh. einzuordnen und den passenden König von Wessex als Wohltäter für Glastonbury zu finden. Er behandelt Dunstan dabei so, als sei er ein gerade der Asche entstiegener Phönix, also ein unbeschriebenes Blatt. Unter Ignorierung der hagiographischen und biographischen Mitteilungen über Dunstans Vorleben beginnt William sein Loblied auf ihn mit der Ernennung zum Abt von Glastonbury auf den Rat göttlicher Weisung durch König Edmund, die er in das Jahr 940 legt, bis zu sechs Jahre früher als die anderen Chronisten. Der Grund dafür ist der frühe Tod Edmunds in 946. Damit hat William einen zeitlichen Vorsprung und genügend Spielraum, diesen König als Wohltäter von Dunstan und Glastonbury darzustellen.
Nach der kategorischen Ableugnung, dass Dunstan der erste Abt der englischen Nation ist, fährt William unvermittelt und ziemlich konzeptionslos in seinem Bericht fort [Kap. 55]. Er freut sich, dass er dem stürmischen Strudel der Vergangenheit und den Schatten der Ignoranz entronnen ist, womit er die verwirrende und übertriebene Berichterstattung über die Phantomzeit meinen muss, und dass er sich mit größerer Leichtigkeit glänzenden Zeiten zuwenden und über die Dinge auslassen kann, die dem Kloster in der Zeit dieses heiligen Mannes Dunstan gewährt werden, der Glastonbury 22 Jahre regiert.
Der fromme König Edmund soll samt seiner Frau Aethelflaed zuerst die mildtätigen Hände auftun und dem Abt Dunstan von Glastonbury viel Land zukommen lassen. Und dann geht es so weiter wie bei den oben genannten Spendern in der Phantomzeit, lediglich mit anderen Personen- und Flurnamen. Nur Zuwendungen, Zuwendungen, nichts als übertriebene Zuwendungen, die mit generöser Hand dem Abt Dunstan gespendet werden und zum Wohlstand des Klosters Glastonbury beitragen sollen. Um die Phantomzeit könige zum wiederholten Male zu verankern, lässt William König Edmund sagen:
„Ich übertrage diese Ländereien auf die alte Kirche der gesegneten Gottesmutter auf dem Hügel von Glastonbury, um meine Sünden, die Sünden meines Großvaters Alfred und meines Vaters Edward zu tilgen.”
Dann folgen weitere Zuwendungen, die von Edmund selbst oder von seinen Verwandten und Gefolgsleuten mit seiner Billigung gespendet oder vererbt werden, insgesamt 368,5 Hiden oder bis zu 18.000 Hektar. Sie sollen die großartige Verehrung für das Kloster in Glastonbury und seinen äußerst glorreichen Abt Dunstan, bezeugen. Um den Platz mit noch größeren Geschenken auszuzeichnen, soll Edmund in frommer Großzügigkeit noch viele Reliquien auf Glastonbury übertragen, die er in Nordhumbrien und in Gebieten über der See gesammelt haben soll und die man in den alten Büchern verzeichnet finden kann.
Edmund bestätigt der Kirche der heiligen Gottesmutter Maria von Glastonbury und dem verehrungswürdigen Dunstan, den er, wie er ausdrücklich erwähnt, dort als Abt eingesetzt hat, alle Spenden, die sein Vater Edward, sein Großvater Alfred, Kentwine, Ine, Cuthred und viele andere Spender dem Platz, den sie ehrten und glorifizierten, zukommen ließen.
Das Privileg Edmunds wird 944 erteilt und in goldenen Buchstaben in ein elegant geschmücktes Messbuch eingeschrieben, das der König der Kirche schenkt. Derjenige, der mehr über Edmund wissen will, kann dies in dem kleinen Buch nachlesen, das an der linken Seite im Turm der größeren Kirche in Glastonbury liegt.
Angezogen von der Heiligkeit des Platzes vermacht Edmund der Abtei und Kirche in Glastonbury auch seinen eigenen Leichnam, der noch zu Williams Zeit dort gewesen sein soll.
Nach der Überlieferung folgt König Edmund mit 18 Jahren seinem Halbbruder Athelstan, der am 27. Oktober 939 stirbt und in Malmesbury begraben wird, auf den Thron. Edmund wird nach einem mit Mühsal und kriegerischen Begegnungen angefüllten kurzen Leben im Alter 25 Jahren am 26. Mai 946 ermordet und in Glastonbury begraben.
Edmunds Nachfolger König Eadred einschließlich seiner Verwandten und Gefolgsleute setzen 954 die Zuwendungen an Dunstan fort. Unter Eadreds Nachfolger Eadwig kommt es 956 zu einem Zerwürfnis zwischen Abt und Königshaus. Dunstan wird aus dem Land getrieben und muss zwei Jahre in einem Kloster in Gent im Exil verbringen.
Während dieser Zeit wird der Pseudo-Abt Aelsige eingesetzt, der die Leitung von Glastonbury übernimmt. Die Spenden gehen weiter. Auch er erhält ungefähr ein halbes Dutzend davon. Nach zwei Jahren darf Dunstan nach England zurückkehren, wird aber kurz darauf nacheinander Bischof von Wor cester (958), von London (959) und Erzbischof von Canterbury (960). Damit beträgt Dunstans Zeit als Abt von Glastonbury nicht 22 Jahre, wie William schreibt, sondern nur 10 bis höchstens 16 Jahre, nämlich von seiner ersten Beurkundung als Abt in 946 (oder von seiner angeblichen Ernennung in 940) bis zu seinem Exil in Gent in 956, da man sowohl die zwei Jahre im Exil als auch die beiden Jahre als Bischof von Worcester und London abziehen muss und er schon 960 das Erzbistum in Canterbury übernimmt.
Brihtwold ist Abt im 7./8. und Bischof im 10./11. Jh.
Nach Abt Haemgils (680-705) folgt 705 erneut ein Abt namens Bertuuald, Beorhtwald oder Brihtwold (nicht zu verwechseln mit dem von 670 bis 678/80 genannten Abt gleichen Namens!), der von William im Verzeichnis der Äbte ab 705 für sieben Jahre geführt wird.
Abt Beorhtwald von Glastonbury nimmt am 15. 10. 705 an einem Treffen der Weisen, dem sog. Witenagemot, teil. Diese angelsächsische politische Institution befasst sich bei ihrer Zusammenkunft in Brentford mit dem von Bischof Aldhelm vorangetriebenen propagandistischen Einsatz für romorientierte Kirchengewohnheiten.
Bei der Zusammenkunft wird der als Fachmann für die kirchenorganisatorischen Bemühungen auf Bistumsebene bezeugte Winfried Bonifatius als Sprecher einer Gesandtschaft vorgeschlagen, die die Ergebnisse bei dem Metropoliten Beorhtwald von Canterbury vertreten soll [Theol. R. Bd. VII, 69]. Um was es sich bei den „romorientierten Kirchengewohnheiten” handelt, wird nicht näher erläutert.
Um die Einführung des römischen Ostertermins kann es sich wohl kaum handeln, da diese Frage bereits 664 auf der Synode von Whitby hinreichend geklärt wurde. Vermutlich geht es bei dieser Vorbereitung von wichtigen Beschlüssen darum, wie man die inzwischen bemerkte Phantomzeit auffüllen und die auf dem Festland und in Teilen von England bereits geltende Nachphantomzeit mit der herkömmlichen alten Inkarnationszeitzählung unter einen Hut bringen kann, ohne die von Beda manifestierte und noch in Teilen Englands verwendete Zeitzählung „nach der Fleischwerdung des Herrn” und damit den HErrn selbst zu beschädigen.
Von diesem Treffen des Witenagemot wird weiter berichtet [Theol R.], dass Winfried Bonifatius den entsprechenden Auftrag König Ines von Wessex zu allgemeiner Zufriedenheit erledigt hat, so dass er weiter zu Synoden herangezogen wird und dass ihn mit Daniel, dem neuen Bischof von Winchester (705-744) eine lebenslange Freundschaft verbindet.
Natürlich wird bei dem Witenagemot in Brentford von den Weisen nichts über das mittlerweile bekannte Problem verlautet, dass man sich eigentlich datumsgemäß in einer Phantomzeit befindet, dass das Festland und Teile Englands schon heimlich, still und leise in das zweite Jahrtausend hineingerutscht sind und Byrhtferth von Ramsey gerade damit beschäftigt ist, seine Chroniken zur Füllung der Phantomzeit zu schreiben, die Biografie über den Sagenkönig Alfred zu fälschen und den Bischof Ingwine zu erfinden.
Der Witenagemot wird von William von Malmesbury nicht erwähnt, und über den an dieser Veranstaltung teilnehmenden Abt Beorhtwald oder Brihtwold verliert er außer der Nennung im Verzeichnis der Äbte von Glastonbury kein Wort.
Notgedrungen spricht er aber über den Tod von Bischof Brihtwold von Ramsbury, 1045, und schildert ihn als großen Wohltäter von Glastonbury, der Kostbarkeiten von einem unermesslichen Geldeswert noch zu seiner Lebenszeit Glastonbury vermacht haben soll.
Außerdem soll der demütige Bischof alles Land der Mönche von Glastonbury in Wiltshire zurückkaufen und die drei Schreine der Hll. Guthlac, George und Oswald mit einer Widmung an den höchsten Herrn und seine Mutter Maria der alten Kirche von Glastonbury übertragen zur Gewinnung der süßesten Freuden des ewigen Lebens. William sagt, einige hätten zwar versucht, Brihtwolds Ruhm zu beschädigen mit der Kritik, er gebe die Besitzungen seiner Diözese an Glastonbury, aber das hätte der heilige Mann bestimmt nicht getan, so er gewusst hätte, dass er damit ein Unrecht begehe.
Dabei drängt sich die Frage auf: Wie kommt ein Bischof des 11. Jh. zu den Särgen von Heiligen aus dem 7./8. Jh.? Ganz nebenbei erwähnt William, dass Brihtwold seine Ausbildung als Mönch in Glastonbury erhalten hat, wagt aber nicht zu sagen, dass es sich dabei um Abt Brihtwold handelt. Trotzdem kann William nicht verhindern, dass die Identität des Abts von Glastonbury mit dem Bischof von Ramsbury, wenn auch reichlich spät, entdeckt wird. Die Wahrheit setzt sich durch! Mittlerweile ist bekannt, dass die beiden geistlichen Würdenträger des gleichen Namens in eine Person zusammenfließen; ein Paradebeweis für die Existenz der Phantomzeit, wobei der Bischof von Ramsbury schon in die Nachphantomzeit, der Abt des Klosters Glastonbury hingegen, Teilnehmer 705 am Rat der Weisen, noch in das 8. Jh. a.Iz. datiert ist.
Das ist auch dokumentiert im Powicke Handbook of British Chronologie [247], und wird bestätigt von dem Verfasser des Oxford Dictionary of National Biography [2004-2007], der in der ersten Veröffentlichung im September 2004 unter dem Stichwort Brihtwold [d. 1045], abbot of Glastonbury and bishop of Ramsbury den in 705 dokumentierten Abt Brihtwold von Glastonbury mit dem 1045 verstorbenen Bischof von Ramsbury gleich setzt und unter der Index-Nummer 101003431 der Oxford Biography die verwunderte Frage stellt: „What ist this?”
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Index entry, http://www.oxforddnb.com/index/101003431
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