Interdisziplinäres Bulletin
(vormalig ‚Vorzeit-Frühzeit-Gegenwart’)
Jahrgang 25, Heft 1, April 2013
3 | Editorial |
5 | Gerhard Anwander: 11. 6. 1945 – 17. 1. 2013. Ein Nachruf |
8 | Dr. Detlef Suhr: 3. 11. 1962 – 28. 1. 2013. In memoriam |
9 | Illig, Heribert: Horken, Krohne, Krieg, NS-Zeit. Ein Prähistoriker aus Gräfelfing |
30 | Otte, Andreas: Homer an der Ostsee. Felice Vincis Buch ins Deutsche übersetzt |
34 | Lüling, Günter: Das verfälschte Geschichtsbild der Alten Welt im judäischen Alten Testament |
67 | Illig, H.: Amtsinsignien des Pharao. Herrscher über Beduinen und Bauern |
73 | Friedrich, Volker: Die fränkische Herrscherliste Bischofs Godmar von Gerona, 939/40 |
95 | Illig, H.: Kölner Geklüngel anno 2013 |
113 | Wirsching, Armin: Exkurs zu Widukind von Corvey. Awaren – Ungarn – Karl der Große |
130 | Heinitz, Volker: Flurname „Kuhtanz“ |
141 | Laszlo, Renate: Simeons Geschichte der Kirche v. Durham |
170 | Laszlo, R.: Ein neu entdecktes Rätsel des Exeterbuches |
183 | Illig, H. / Kämmerer, Jens: Mittellatein und Karls Renaissance |
190 | Illig, H.: Was wissen wir vom frühen Islam? |
202 | Glötzner, Johannes: Abgedankt und ausgetrickst. Eine Reminiszenz |
206 | Otte, A.: Neues von der bikameralen Psyche. Die Aktivitäten der Julian Jaynes Society |
211 | Dumbs, Mathias: Hochdeutsch in seinen regionalen Varianten |
216 | Giesinger, Norbert: Die rückgerechneten Sonnen- finsternispaare von 418 / 447 AD und 939 / 968 AD |
232 | Otte, A.: Electric Universe 2013 – The Tipping Point. Ein Konferenzbericht |
242 | Frank, Werner: Zwei Bücher über das Unbehagen an der heutigen Physik. Rezensionen |
246 | Illig, H.: Der Fluch des 20. Jahrhunderts. Richard von Schirach über die Atombombe. Eine Rezension |
252 | Neues aus allen Zeiten |
259 | Verlagsnachrichten |
ISSN 0947-7233
Zu: Abgedankt und ausgetrickst. Eine Reminiszenz von Johannes Glötzner. In: Zeitensprünge 1/2013, S. 202 ff.
Das hat kein Mensch verdient, nicht einmal ein damals noch zukünftiger, inzwischen Ex-Papst: Dass er angeblich Logisches entwickelt, und dann kommt ein Kritiker daher und bemängelt nicht die Stimmigkeit der angeblich logischen Aussage selbst, sondern beißt sich daran fest, der Mensch stelle nicht in aller Bescheidenheit seine persönliche Meinung dar und relativiere sie damit im selben Atemzug, sondern er habe zu seinen Gedanken auch noch frecherweise die Stellung, sie seien zwingend logisch, und diese Stellung lasse er den Leser auch noch unentwegt wissen. Also, wie gesagt, nicht einmal ein Papst hat das verdient, denn auch er ist nur ein Mensch. Aber schön langsam der Reihe nach:
Johannes Glötzner erinnert uns 2013 daran, er habe 1975 einen Artikel über Josef Ratzingers 1968 erschienenes Buch „Einführung in das Christentum“ geschrieben und gibt ihn uns nochmals zur Kenntnis.
Wir erfahren in diesem Artikel nicht, was Ratzinger in seinem Buch behauptet hat. Sondern wir erfahren nur, dass er – laut Glötzner – von diesen Behauptungen behauptet, sie seien „zwingend logisch“. Glötzner stört sich nicht an den Inhalten Ratzingers, seien diese nun zwingend logisch oder nicht. Sondern er stört sich daran, dass Ratzinger nicht nur diese Inhalte hinschreibt, sondern auch noch zusätzlich methodisch, nämlich auf einer höheren Meta-Ebene und getrennt von ihnen, behauptet, sie seien korrekt.
Laut Glötzner sagt Ratzinger also nicht nur erstens „A“, sondern dazu noch zweitens: „A stimmt“. Und das offenbar mit einer gewissen auffälligen Penetranz und Häufigkeit.
Nun ist es ganz gewiss so, dass eine Behauptung nicht wahrer wird dadurch, dass man sich neben sie stellt und beteuert, sie sei wahr. Entweder ist sie in sich selbst wahr oder eben nicht. Und es ist ganz gewiss eine Unsitte und Unredlichkeit, die Entwicklung eigener Gedanken mit solchen methodischen Zusätzen zu überfrachten, wie das offenbar Ratzinger in seinem Buch getan hat, wenn wir Glötzner Glauben schenken wollen. Denn ein Gedanke braucht nicht den separaten Hinweis auf seine Richtigkeit, um richtig zu sein. Entweder er ist es oder eben nicht.
Wenn er zwingend logisch ist, kann man es ab und an schon verschmerzen, wenn dahinter auch noch hingeschrieben steht: Dieser Gedanke ist übrigens zwingend logisch. Manchmal kann sogar der methodische Hinweis den Anlass dazu abgeben, die Logik des Gedankens als Leser wirklich selbst nachzuvollziehen. Das kann ja auch, wenn wir mal gutwillig sein wollen, der „menschlich“ irgendwie verständliche Grund sein, warum Autoren solche methodischen Bemerkungen in ihre Texte hineinschreiben: Sie wollen den Leser ermuntern, die Logik wirklich selbst zu überprüfen. Wenn wir allerdings böswillig sein wollen, kann es auch gerade andersherum sein: Die Autoren wollen erreichen, dass die Leser die Behauptung der Logik für die Logik selbst nehmen. Und so, wie Ratzingers Schreibweise von Glötzner geschildert wird, kann es schon sein, dass wir mit der Böswilligkeit richtiger liegen.
Aber das Entscheidende ist doch der Gedanke, der Inhalt. Stimmt der nun oder nicht? Darüber erfahren wir von Glötzner nichts. Entkleidet von allem methodischen Beiwerk hätten wir gerne gewusst, ob Ratzinger wirklich den christlichen Glauben logisch begründen kann.
Das Ärgerliche an Glötzners Ratzinger-Kritik ist aber der Grund, warum er sich so auf dieser methodischen Ebene bewegt. Dieser Grund wird deutlich an folgendem Zitat:
„Ratzinger sagt nun nicht – wie man vielleicht erwarten könnte: Das ist meine Meinung; so könnte man das auffassen; es gibt aber noch andere Interpretationsmöglichkeiten; aus dem und dem Grund neige ich eher zu dieser Ansicht. Nein: Ratzinger meint nicht, entwickelt nicht, wählt nicht, er hat gar nicht die Möglichkeit dazu; denn bei ihm entwickelt sich alles von selbst: Es ‘ergibt sich zwingend’ … ‘die innere Logik zwingt’“ (S. 203).
Glötzner stört also nicht nur, dass Ratzinger methodisch die korrekte Logik seiner Gedanken behauptet, sondern ihn stört überhaupt, dass der spätere Papst antritt und mit Logik den Glauben begründen will. Wenn er seine Position von vorneherein als seine bloße „Meinung“ relativiert hätte (ebenso methodisch übrigens), hätte Glötzner das wohl akzeptiert. Dabei ist es doch gerade die über die bloße Ratzingersche Subjektivität hinausgehende postulierte „unbestreitbare Schlüssigkeit“ oder „unausweichliche Logik“ (alles ebda.), die einen neugierig macht, mal zu überprüfen, ob Ratzinger das wirklich leistet. So weit hat es nämlich Glötzner nun am Ende tatsächlich gebracht: Gegen alle Erfahrung mit den Verlautbarungen von Theologen fühlt man sich fast bemüßigt, sich dieses 45 Jahre alte Buch anzuschaffen, um selbst nachzulesen, was „wir, der Papst“, meinen, wenn wir behaupten, logisch zu werden. Fast.
fanzfan
28. Mai 2013