von Heribert Illig

„Auf Laien konnte die atemlose, in reißerischen Büchern fortgesetzte Fahndung nach angeblichen Unterschiebungen und Anachronismen faszinierend wirken. Bald bildete sich eine Sektierergemeinde um den Rebellen der Chronologie. In dem Blatt »Zeitensprünge« und auf der Website »Fantomzeit« setzen er und ein paar unterbeschäftigte Stöberer die bizarre Schnipseljagd bis heute fort.“ [Saltzwedel, 105]

Diesen gepfefferten, ganzseitigen Gruß schickte Dr. Johannes Saltzwedel am 27. 11. 2012 in der von ihm verantworteten Ausgabe von Spiegel Geschichte den Zeitenspringern zum 30. Jahrestag und dem „Chronologie-Rebell Illig“, garniert mit einem uralten, ‘dämonischen’ Foto. Die Befunde des promovierten Germanisten Saltzwedel sind ebenso antiquiert: längst widerlegte Anwürfe von Sekte bis Verschwörungstheorie, keine Beachtung unserer Argumente wie unserer Antworten. Besonders peinlich sein einziges Argument zur Kalenderproblematik: die zu wenigen 10 Korrekturtage „sind längst mit einer Bequemlichkeit der päpstlichen Astronomen erklärt“. Nun hatte die Gregorianische Kalenderreform eine Vorlaufzeit von mindestens 300 Jahren. 51 Gutachten wurden vor 1582 eingereicht, ein Könner wie Christophorus Clavius zog die Reform theoretisch und praktisch durch, misstrauisch von protestantischen Astronomen wie etwa Joseph Iustus Scaliger beäugt. Wer hier von Bequemlichkeit spricht, versteht entweder gar nichts von der Angelegenheit oder er weiß so viel von ihr, dass er den wahren Sachverhalt unter allen Umständen verheimlicht wissen will.

Und so ist das gesamte Heft eine kritiklose Jubel-Postille, die bis zu 20 Jahre alte Gegenargumente ignoriert: erneut ein „visionärer Kanalbau“, die Toga ‘mit Hosenträger’, das abstruse Capitulare de villis, der globetrottende Elefant und der eisenstarrende Karl. Und selbstverständlich: „Spuren Karls des Großen finden sich reichlich in ganz Europa.“ [ebd. 105]. An anderer Stelle im Heft ist man allerdings vorsichtiger: „Seine realen Spuren dagegen sind oft so unscheinbar wie das Häkchen, mit dem er Urkunden abzeichnete“ [ebd. 7].

Spiegel Geschichte wird auf Papier aus verantwortungsvollen Quellen gedruckt“ [ebd. 146].

So dubios diese Quellen sind – gemeint sind vielleicht verantwortbare Papierquellen –, so dubios sind Quellen und Schlüsse der Autoren, darunter Prof. em. Johannes Fried. Aber sicher ein passendes, nachträgliches Geschenk zu Frieds 70. und Saltzwedels 50. Geburtstag.

Literatur

Saltzwedel, Johannes (2012): Seitenblick. Die abstruse These vom „erfundenen Mittelalter“. Gestrichene Jahrhunderte; in Karl der Große. Der mächtigste Kaiser des Mittelalters (Leit. Red. J. Saltzwedel); Der Spiegel Geschichte, 6/2012, S. 105