Ein Buchhinweis von Heribert Illig (aus Zeitensprünge 3/2010)
Mit Detlef Suhr [= S.] unterstützt ein geschichtskundiger Arzt aus Gotha, der gar nicht unserem Kreis angehört, die These vom erfundenen Mittelalter: Zweifel. Gab es Karl den Großen wirklich? 2010, Jena, 193 S., 17 Farbabb.
Nachdem Suhr die Leser in seiner locker-saloppen Weise eingestimmt hat, stellt er die These anhand der Zweifel vor, die sich mit all den vorgetragenen Argumenten verbinden [S. 29-35]. Weil er auf ein breiteres Publikum zielt, verzichtet er auf exakte Quellenangaben; bevor er seine Leser mit Kalenderproblemen vergrault, „ziehen wir eilig das Fazit: Unsere Zeit(rechnung) ist relativ. Sie wurde von Menschen gemacht und von Menschen immer wieder verändert“ [S. 35]. Ab da beschränkt er sich auf Karl, seine Leiden und seine Leiche. Einhards in sich widersprüchliche Angaben zu Krankheit (Pleuritis) und Sterben bringen den Arzt zu dem Schluss:
„Wenn die Schilderung der Todesumstände nicht stimmt, wenn die Diagnose nicht stimmt, was stimmt dann überhaupt? Dann braucht man auch allen anderen Details der Karlsgeschichte ebenso wenig Glauben zu schenken. Dann bewegen wir uns auf dem Münchhausen-Niveau.“ [S. 126]
Einhard [30] verwendet den griechischen Fachbegriff pleuresin (Pleuritis, Brustfellentzündung), der in Franken damals unbekannt gewesen sein dürfte. Dafür kennt Suhr mit Michael Psellos (1018–1078) einen Arzt, der sie bei den Kaisern Konstantin IX. und X. diagnostizierte, laut Suhr [123] wohl die Lieblingsdiagnose des Arztes. Das wäre ein Hinweis darauf, dass Einhards Text nach Psellos’ Diagnosen, nach 1055 geschrieben worden ist, mit der Absicht, Karl an einer kaiserlichen Krankheit sterben zu lassen.
Einhard kennt im Übrigen keinen Leibarzt Karls; der Schilderung nach stirbt dieser ohne ärztlichen Beistand [S. 108] und ohne Rückgriff auf die von ihm so propagierten Heilkräuter aus dem Apothekergarten [S. 115, 124]. In der Vita von Abt Sturmi wird Karls Leibarzt Wintar erwähnt. Doch der scheint nur ein simples Wortspiel mit dem Winter zu sein, in dem Karl starb [S. 107 f.].
Solcherart meldet Suhr aus Sicht des Arztes seine Zweifel an Karl an. Und so bleiben ihm von Karl dem Großen: „Nichts als vernünftige und begründete Zweifel“ [S. 181]. Meine These ist hiermit approbiert, gebilligt!
Korrekt merkt Suhr in seinem Schlusswort an, dass er vieles schuldig bleiben musste. Sein „Buch ist bestenfalls ein Mosaiksteinchen im großen Puzzle“ [S. 179]. aber dort wird das erfundene Mittelalter einmal ganz anders präsentiert, begleitet von zahlreichen Ausflügen zu Schillers Schädel, Virchow, Hitler, frühen Reliquienkult oder zu den Gebeinen der Hl. Drei Könige, die genauso wenig für die Könige bürgen wie die Knochen aus dem Karlsschrein für den Kaiser [S. 157].
Es hat mich bei der Lektüre dieses Artikels — Rezension würde ich das nicht nennen (dazu gleich noch etwas) — doch sehr gewundert, daß es möglich ist, so fatal der vorgeblichen ‘auctoritas’ eines Autoren zu vertrauen, wie das hier von Herrn Illig vorexerziert wird. Dem gängigen Verständnis sauberer Methodik nach gehört es doch eigentlich zu den Aufgaben eines Rezensenten, vor der Bewertung des Rezensierten auch zu prüfen, ob es darin mit rechten Dingen und den Standards gemäß zugeht … Oder?
Ich kann anbei der Lektüre dieses Beitrages nicht im Mindesten erkennen, daß das geschehen wäre. Denn wäre es geschehen, hätte Herr Illig das Buch Suhrs wohl verreißen müssen! Da drängt sich schon ein bißchen der Verdacht auf, die Rezension sei womöglich gar nicht umwillen dessen, was ‘rezensieren’ normalerweise bedeutet, angeferigt worden, sondern einfach, weil das Ergebnis so gut mit den eigenen Bemühungen korrespondiert. Wenn ein derartiges Procedere dann aber das Konkurrenzmodell der Fantomzeitler zur etablierten Mittelalterforschung sein soll, so muß es eigentlich niemanden wundern, daß die fantomzeitliche Erforschung des frühen Mittelalters außer in den eigenen Kreisen von niemandem als ernstzunehmende Konkurrenz empfunden wird …
Nun zur Sache:
Es ist natürlich hanebüchener Unfug, was Suhr über den Gebrauch oder vorgeblichen Nichtgebrauch des Termes ‘pleuresin’ z.Z. des Frühmittelalters zusammenstammelt; davon kann sich jeder überzeugen, der schon mal den Namen Isidor von Sevilla gehört hat … nun ja, und vielleicht sogar weiß, daß der u.a. die berühmten ‘Etymologiarum sive originum libri XX’ verfaßt hat. Schaut man da nämlich in IV.6.8. nach, ist sofort klar, woher Einhard seine (vielleicht) laienmedizinische Diagnose über Karls Erkrankung herhat (die ja bezeichnenderweise auch seinen Sohn Ludwig und seinen Enkel Karl den Kahlen quälte, will man den Quellen trauen).
Mir scheint es jedenfalls einigermaßen skandalös — ist es vielleicht sogar bezeichnend? –, daß Herr Illig offenbar nicht einmal weiß, wo er prüfend nachzuschauen hat im Falle einer solch leicht zu veri- bzw. falsifizierenden Behauptung wie der hier verhandelten. Mich hat das ganze nach der Lektüre dieses seltsam unreflektierten Artikels jedenfalls nicht einmal 5 Minuten gekostet! Darüberhinaus möchte ich die Ansicht kundtun (ohne sie jetzt zu belegen), daß wohl zu vermuten steht, das frühe Mittelalter habe wohl auch diverse medizinische Texte etwa Vindicianus’ und auch Theodorus Priscianus’ gekannt, wo derlei Dinge ebenfalls verhandelt werden (ich gebe hier auch einen Wink zur ‘Anthologia Graeca’ und ihren lateinischen Ablegern, die ebenfalls med. Texte bieten und dem Frühmittelalter wenigstens in Teilen bekannt gewesen sein dürften; die A.G. jedenfalls kennt den Ausdruck, der hier in Rede steht). Es ist ja übrigens nicht unmöglich, daß bereits Isidor auf sie referiert!
Darüber hinaus will es mir aber auch so scheinen, als stünde es einem Germanisten (!) nicht so arg gut zu Gesicht, die quellenmäßige Notiz zur fürsorglichen ärztlichen Betreuung des kranken Sturmi durch Karls Leibarzt als eine Anspielung auf den Winter (die Jhreszeit!) zu interpretieren … jedenfalls ist Menschen, die den Text kennen, das grammatisch wohl kaum verständlich zu machen. Allerdings mag es ja sein, daß Herr Illig womöglich nur eine Übersetzung des Textes kennt, was dann allerdings auch wieder ein merkwürdiges Licht auf die Methoden werfen würde, die die Fantomzeitthese, wenn es denn da immer so zugeht, von innen her strukturieren mögen.
Jedenfalls war das ein ziemlicher Schuß in den Ofen! Daneben wäre es hilfreich — so ist’s ja eigentlich auch der wiss. Usus –, wenn sich eine Rezension nicht nur inhaltlich kritisch mit ihrem Gegenstand beschäftigt, was hier, bei dieser Arbeit ein Desiderat blieb, wie eben gezeigt, sondern sich auch formal an den gängigen Standards orientieren würde: Es trägt auf jeden Fall nichts zur Aufklärungen eines potentiellen Rezipienten bei — vielmehr wird die dadurch ja eher beindert –, wenn im Falle der Verhandlung von bestimmten Stellen in klassischen und daneben auch wohlpaginierten Texten bloß die Seitenzahlen des rezipierten Buches, aber keinerlei Verweise auf die gebräuchlichen Stellenangaben erfolgen. Solche seltsamen (und für den kritischen Leser dazu auch noch äußerst unkomfortablen) Gebräuche nähren m.E. auch Verdächte, die ja die Fantomzeitthese sowieso schon schwer belasten in der Öffentlichkeit! — Warum so, doch eigentlich ohne Not, die Flanke öffnen und Interessierte vergraulen?
Fazit zu diesem Beitrag: Sehr schlecht recherchiert und sachlich falsch! Keine gute Werbung für die Fantomzeitthese.
Ein Tip zum Schluß: Vielleicht sollten die Fantomzeitler mehr, viel mehr Zeit damit zubringen, die Nasen sehr tief in die Quellen zu stecken, anstatt fast ausschließlich nur Sekundär- und Tertiärliteratur hoch- und runterzubeten (wohin das führt, wurde eben demonstriert: nämlich in die Blamage); und vielleicht wäre das auch besser, als sich in den Labyrinthen kalendarischer Spekulationen zu verirren. Just my two cents: Geschichte wird nicht aus Kalendern generiert, sondern aus narrativen und materialen Strukturen, die Sinn zu transportieren vermögen …
Ciao
Sina
Sina schaffte es, mit einer ( nach eigenen Angaben ) Lektüre von fünf Minuten, zu einer von Fachkenntnis unbelasteten Einschätzung komplizierter naturwissenschaftlicher Sachverhalte
durchzuringen. Kompliment! Ein Arzt wird wahrscheinlich länger brauchen, um die Diagnose einer Pleuritis ( Rippenfellentzündung ) zu stellen.
Es scheint, als habe Suhr mit Ihnen gerechnet, wenn er auf Seite 38 (die Illig- Debatte betreffend) mit menschlicher Einsicht schreibt: „Der ehrwürdige Begriff „wissenschaftlicher Meinungsstreit“ beschreibt die sich entspinnende Debatte völlig unzutreffend. … Die Diskussion der Historiker um die Illig- These wurde und wird mit äußerster Erbitterung oberhalb und unterhalb der Gürtellinie geführt. Die Dünnhäutigkeit und zum Teil fanatische Aggressivität einiger Historiker ist menschlich absolut nachvollziehbar.
… Wenn unsere Geschichte Karl den Großen verliert, verlieren viele vieles.“
Vielleicht sollte man wenigstens die Apothekenrundschau gelesen haben, bevor man über medizinische Dinge philosophiert.
Der Begriff „pleuresin“ – Pleuritis jedenfalls wurde bereits von den Ärzten der Schule von Knidos klar definiert.
Sich dem medizinischen Problem einer Rippenfellentzündung mit den „Etymologiarum sive originum libri XX“ nähern zu wollen, spricht für ein etwas eingeschränktes Gesichtsfeld.
Ein medizinisches Fachbuch wäre wohl zielführender gewesen.
Wie der gute alte Isidor von Sevilla den Begriff der Pleuritis interpretiert oder verwendet haben mag, ist für das Problem der Überlieferung des Ablebens Karls des Großen vollkommen ohne Belang.
Ich für meinen Teil las das ganze Buch, was ich Sina auch dingend empfehlen möchte und konnte auf 195 Seiten nicht einen einzigen Logikfehler finden.
Suhr erklärt den medizinischen Standard des Karolingerreiches, die Krankheitsgeschichten der Karolinger und setzt sich mit der angeblichen Pflanzenheilkunde des Frühmittelalters auseinander.
Bezüglich der Krankheits- – und Todesumstände folgt Suhr der Schilderung von Thegan und Astronomus (wie das bis hin zu Hägermann kritiklos üblich ist.)
Als Arzt widerlegt er die Überlieferung klar und zweifelsfrei.
Suhr verfolgt die Geschichte des Karlsgrabes und der Leichenteile, die als die sterblichen Überreste Karls gedeutet werden und erhellt die Motivationen der Akteure.
Das Denken steht dem Leser völlig frei. Nicht umsonst lautet der Titel „Zweifel“.
Der Leser braucht allerdings mehr als fünf Minuten, um Sachverhalte und Analysen zu verarbeiten.
Auf Seite 179 schließlich kann jeder Leser, der ( im Gegensatz zu Sina ) das ganze Buch gelesen hat, die Frage „Gab es Karl den Großen wirklich?“ in einer Auswahl von vier Möglichkeiten für sich selbst beantworten.
Liebe Sina, wenn Ihnen die paar Euro nicht zuviel sind, um sich über medizinische Fragen im Zusammenhang mit Geschichte zu informieren, dann lesen Sie das ganze Buch.
Es wird Ihren Horizont weiten.
Ich hatte gestern schon mal versucht zu antworten, das ist aber irgendwie schiefgegangen. Nun heute Anlauf 2:
Mein Argument geht — wenn Sie nochmal genauer lesen, wird Ihnen das zweifellos auffallen — nicht auf irgendwelche medizinischen Diagnosen, sondern ist ein sprachgeschichtliches. Herr Illig hat bekanntlich behauptet, dabei Herrn Suhrs diesbezüglich falsche Aussage positiv “rezensierend”, ich zitiere: “Einhard … verwendet den griechischen Fachbegriff pleuresin …, der in Franken damals unbekannt gewesen sein dürfte”.
Nun ist es aber so, daß sich der hier in Rede stehende Begriff u.a. bei Isidor von Sevilla findet. Nun ja, und wer der frühmittelalterlichen Usancen für die Beschreibung nicht ganz alltäglicher Phänomene kundig ist, weiß natürlich, daß die Schriftsteller dieser Zeit Isidors Etymologiarum dafür gerne nutzen. Deswegen hat meine kleine Widerlegung der suhrschen/illigschen Position auch nur 5 Minuten gedauert, weil es nun mal nicht länger braucht, um so eine Falschmeldung richtigzustellen.
Ich gebe gerne zu, selbst keinen blassen Schimmer zu haben, ob Einhards gegebene Diagnose das Richtige trifft — ehrlich gesagt halte ich das auch gar nicht für so arg wichtig –; es sollte jetzt allerdings evident geworden sein, daß Herrn Suhrs Diagnose zu Einhard definitiv falsch ist. Zudem muß in diesem Zusammenhang betont werden, daß es schon einigermaßen komisch aussieht, wenn Herr Suhr wähnt, aufgrund der denkbar kurzen Passage in der VK über des Kaisers Krankheit auf eine Fälschung schließen zu können, weil es sich ja angeblich um eine Fehldiagnose handele.
Dabei kommen zwei Dinge zusammen, die Herrn Suhr doch — was die geschichtswissenschaftliche wie auch medizinhistorische Dimension der Sache angeht — ziemlich dümmlich aussehen lassen: Erstens, weil der gegebene Befund doch *sehr* mager ist; und zweitens, weil allein schon aufgrund Suhrs sprachgeschichtlichen Lapsus’ feststeht, daß er *gar keine* Ahnung davon hatte, als er diesen Unsinn zusammenkritzelte, was *seinerzeit* eigentlich unter ‘pleuresin’ verstanden wurde. Will sagen: Das rezente medizinische Verständnis der Sache an einen Text aus dem 9. Jahrhundert anzulegen (und dann auch noch, ohne die einschlägig bekannten Handbücher zu konsultieren), ist ja nun wirklich einigermaßen abenteuerlich zu nennen und weist den Autoren als absoluten Dilettanten in geschichtswissenschaftlichen Fragestellungen aus.
Was daraus für die Bewertung seines Elaborates im Ganzen folgt, mag freilich jeder Leser für sich selbst entscheiden. Und genauso gilt dies für die Frage, ob Zweifel an der historischen Realität Karls und seiner Zeit angemessen sind. Sie zu nähren hat Suhrs hier demonstriertes Versagen nichts beigetragen, jedenfalls bei Leuten nicht, die der ‘basics’ über’s Frühmittelalter kundig sind! Und für Herrn Illig — ich wies ja bereits darauf hin — kann auch nicht gerade eine historische (und gleich gar nicht eine wissenschaftliche) Glanzleistung bescheinigt werden, weil er eben vollkommen unkritisch und offenbar ohne jeden Willen zur Prüfung “rezensiert” hat. Es bleibt zu hoffen, daß mein Denkanstoß da hinfort Besserung mit sich bringt, denn ansonsten wäre ja zu sagen (also wenn ein so unsauberes Vorgehen die Grundmethode repräsentiert), daß es sich bei der Phantomzeitthese eben nur um die hobbymäßige Auseinandersetzung mit einem geschichtlichen Thema handelt, aber nicht um ein wissenschaftlich ernstzunehmendes Unterfangen, welches vorgebliche Fehler der etablierten Wissenschaften wähnt, korrigieren zu müssen und das auch zu vermögen. Denn wie gezeigt, muß bei einem solchen Anliegen die Ebene des Dilettantismus zwingend überwunden werden, was im hier verhandelten Fall aber weder Herrn Illig und gleich gar nicht Herrn Suhr gelungen ist.
Viele Grüße
Sina
Anmerkung der Redaktion: Das Wort “Rezension” ist bei der Übernahme des Illig-Beitrags auf fantomzeit.de versehentlich in die Überschrift geraten. Beim Erscheinen des Textes in den ZS gab es diese Überschrift noch nicht. Selbstverständlich handelt es sich beim Hinweis auf das Suhr-Buch nicht um eine Rezension oder kritische Besprechung, sondern lediglich um das, als was er sich darbietet: einen Hinweis.
Meine Güte; da hat doch unsere bezaubernde Sina das von ihr heftigst attackierte Buch immer noch nicht gelesen. Sonst wüsste sie inzwischen, worauf sich die „Zweifel“ wirklich gründen. Das Nichtwissen hält sie aber nicht davon ab, wieder kräftig zu schwadronieren.
Cool down! Keine Hysterie ( was Damen bekanntlich nicht gut steht ), keinen Glaubenkrieg! Es geht nicht darum, Glauben zu zerstören – es geht doch nur um Fakten
Also für alle, die das Buch (noch) nicht lesen konnten:
Die Bedeutung des Begriffes Pleuritis (griechisch: pleuresin) ist seit 2500 Jahren klar definiert und medizinisch unterlegt. Die Frage, was Laien (ganz gleich ob Isidor oder Sina) darunter zu verstehen glauben, ist für das vorliegende Problem gänzlich irrelevant.
Wenn Sina wenigsten das ganze Kapitel 5.6 „… quem Greci pleuresin dicunt…“ gelesen hätte, wüsste sie, dass es bei der Analyse der Todesumstände Karl auf diesen Begriff nicht primär ankommt. Abgesehen davon, dass die Diagnose ihm konkreten Fall ohnedies niemand hätte stellen können, werden in diesem Kapitel alle medizinischen Möglichkeiten des Todes mit Brustkorbschmerz, vom Herzversagen über die Lungenembolie bis zu Lungenentzündung diskutiert. Das Ergebnis ist eindeutig: Keine der Quellenschilderungen des Ablebens des Allerhöchsten ist mit einer medizinischen Erklärung in Einklang zu bringen.
Als Fazit empfehle ich das entsprechende Zitat auf Seite 126 (siehe Dr. Illigs Text) welches genau den Standpunkt Derjenigen trifft, die an medizinische Logik nicht glauben wollen.
Letztlich wird aus Sinas Kommentaren unfreiwillig klar, woran die ganze Phantomzeitdebatte bedauerlicherweise leidet: Es gibt Menschen, die glauben, aus einer von Menschenhand mit (konkreten Absichten) geschriebenen Urkunde mehr Wahrheit schöpfen zu können als aus der objektiven Realität und die sich dagegen wehren, ihren Glauben an der naturwissenschaftlichen Logik messen zu lassen.
Es ist zudem eine etwas dünne Argumentation, in den verschiedensten emotional gefärbten Stufen einfach zu behaupten, jemand anderes hätte Unrecht, nur weil die naturwissenschaftliche Realität nicht ins eigene Weltbild passt.
Wer das Buch liest, wird erkennen,
-dass die Krankheitsgeschichte Karls, so wie sie durch die Quellen ( von Thegan bis Hägermann) geistert, einer medizinischen Analyse nicht standhält,
-dass die Legende von der Graböffnung Otto III. 1000AD nur eine Legende ist und
-dass es seit tausend Jahren immer wieder Menschen gab und gibt, die ihre materielle und berufliche Existenz auf den Glauben an die Person Karls und ein paar Knochen in Aachen stützen, deren Echtheit erst noch naturwissenschaftlich bewiesen werden müsste.
Aber das alles steht in „Zweifel – Gab es Karl den Großen wirklich?“
Wenn jemand „seinen/ ihren“ Karl gern behalten möchte, so ist das doch okay. Niemand verbietet guten Glauben. Eine vernünftige Debatte muss aber auf dem Boden rationaler Fakten geführt werden und sollte nach Möglichkeit nicht in einen Glaubenkrieg ausarten, in dem der Ton (bei allem menschlichen Verständnis für Argumentationsdefizite) ins leicht Abgründige abgleitet.
In diesem Sinne: Schönes Wochenende
Da möchte ich mich doch gleich einmal einmischen und gestehe sofort, dass ich das fragliche Buch selber noch nicht ganz gelesen habe und nur den „Forschungs- und Geschichtsbildvorspann“ (S. 9-73) kursorisch kenne. Mein Urteil ist also vorläufig. Und doch konnte ich bei der Lektüre mir doch einige Male das Kichern nicht verkneifen. Etwa wenn Herr Suhr schon auf Seite 11 feststellt, dass es sein könnte, „dass unser Bild von der Geschichte des frühen Mittelalters nicht hundertprozentig mit der Realität übereinstimmt“, denn dem ist nicht nur vermutlich so, es ist sogar bestimmt so! (Wobei der hier missverständlich und unreflektierte Gebrauch des Begriffes „Geschichte „ gar nicht erst erörtert werden soll) Schließlich ist Geschichte immer ein Konstrukt und nie ein „hundertprozentiges“ Abbild der Vergangenheit.
Oder wenn er (S. 53) nach der Logik der Praxis „vorhandene Urkunden abzuschreiben, sich der Gefahr von Manipulationen an bedeutsamstem Inhalt auszusetzen und danach die Originale zu vernichten“, denn dabei übersieht er, dass das Abschreiben die einzige Möglichkeit zur Sicherung und Konservierung von Urkunden war und zum anderen, die Originale keines Wegs danach absichtlich vernichtet wurden. Wohingegen das Anlegen von Kopialbüchern einen schnellen und praktischen Zugriff auf die Texte ermöglichte, was als Grund wohl reichen dürfte. Oder, dass wir uns unter der Unterschrift Karls des Großen keine solche im heutigen Sinne vorstellen dürften, da dieser ja nicht schreiben konnte. Und dass damit seine Unterschrift keine individuellen Züge erkennen lasse, weshalb die Unterschrift Suhrs Zweifel nicht zerstreuen könne, ist ebenfalls höchst amüsant, als doch niemand, der sich etwas auskennt, solches erwartet hätte. Seine Ausführungen zum Aachener Thron sind hingegen unvollständig, da er die in der neueren Zeit wieder als richtig erkannte (und soweit ich weiß auch immernoch gültige) karolingerzeitliche Datierung des Throns überhaupt nicht erwähnt – und diese damit auch nicht widerlegen kann. Auch sein Einwand, der heutige Thron sei eine Rekonstruktion aus dem Jahr 1936 ist reichlich undifferenziert und kein passendes Argument. Ebenso zeigt seine Aussage, dass es dabei „praktisch um einen Recycle-Thron“ handle wenig Verständnis für die Glaubens- und Lebenswelt der ma. Zeitgenossen. Und amüsant ist auch sein Kapitel zur Krone (S. 66ff), in dem er feststellt, dass die „Krone des heiligen römischen Reiches deutscher Nation“ nicht die Krone Karls gewesen sei, da sie dazu zu jung ist. Auch das ist nun wirklich nichts neues. Fast schon naiv wirkt der Text, wenn Suhr dann fragt, wer die Krone der Karolinger „verbummelt“ habe, als wenn deren Fehlen ein Hinweis uaf die Nichtexistenz Karls wäre.
Ich bin jedenfalls gespannt, ob die Argumentation im ganzen Buch auf diesem Niveau angesiedelt ist. Dann wäre es nämlich höchst amüsant.
Einhard schreibt laut Ausgabe von Firchow (1991) „pleuresin“, wie es schon Ideler 1839 gelesen hat. Es wird aber gewöhnlich – von Abel, 1850, bis Firchow, 1991 – mit „Pleuritis“, also Brustfellentzündung übersetzt.
Sina verweist nun auf Isidor von Sevilla. Der schreibt an der angegebenen Stelle von “pleurisis”, das in der Ausgabe von L. Möller, 2008 [157], mit “Pleuritis” und damit Brustfellentzündung gleichgesetzt wird.
Bei Suhr [119-123] kann man über eben diese Krankheit aus Sicht von Michael Psellos mehr erfahren. Isidor weiß also nichts anderes als Psellos, der Einhard zeitlich näher stand und obendrein von kaiserlicher Diagnostik berichtet.
Aus Sicht des erfundenen Mittelalters hat Isidor im frühen 10. Jh. geschrieben, Psellos um 1050, während „Einhard“ im 12. Jh. geschrieben worden sein dürfte. So ist Suhrs Hinweis auf byzantinische Diagnostik keineswegs abwegig.
Sina hat auf Friedrichs letzten Beitrag geantwortet, allerdings unter Verwendung einer Formulierung, welche die Moderation für fantomzeit.de als unangebracht empfindet.
kann man Sinas Beitrag vielleicht ohne die ominöse Formulierung lesen?
Es steht sina jederzeit frei, den Beitrag entsprechend korrigiert erneut einzureichen.
Auch der letzte eingereichte Beitrag von Sina zeigt deutlich, dass es ihm im Kern um schlichte Randale geht. Eine weitere Diskussion erscheint sinnlos. Deshalb beendet die Moderation diese Diskussion hier und jetzt. Mit dem Vorwurf der Zensur können wir leben. Moderation ist Zensur, aber gerade bei diesem Thema leider notwendig, wie ähnliche Vorfälle in der Vergangenheit bereits gezeigt haben.