Am 16.4.2010 (ein Fund von Zainab Angelika Müller) erschien auf Zeit-Online ein Interview von Christian Stass mit dem Historiker Johannes Fried unter dem Titel: Benedikt gab es nicht. Johannes Fried berichtet über seine These, dass Benedikt von Nursia eine Kunstfigur ist und die Berichte über ihn Fälschungen späterer Zeiten sind.
Unwillkürlich fragt man sich: Was macht das Thema nach 15 Jahren wieder interessant, denn eigentlich ist es schon länger “kalter Kaffee”? So war das Thema des erfundenen Benedikt zumindest bereits in Frieds Buch “Schleier der Erinnerung” von 2004 enthalten. Fried selbst bezieht sich auf ein Buch von Francis Clark von 1987, auf dass er 1995 aufmerksam wurde.
Schon vor 1995 und Fried haben sich auch andere unter Bezug auf Clark mit Benedikt beschäftigt, so z.B. Heribert Illig, der dann auch gleich den Schritt machte, Benedikt als eine Erfindung zu deklarieren:
– Illig, Heribert (1993): Das Ende des Heiligen Benedikt? Der andere ‘Vater des Abendlandes’ wird auch fiktiv; in Zeitensprünge 2/93, Seite 23-28
– Illig, Heribert (1994): Doppelter Gregor – fiktiver Benedikt? Pseudo-Papst erfindet Fegefeuer und einen Vater des Abendlandes; in Zeitensprünge 2/94, Seite 20-39
1995 ist aber auch das Jahr in dem sich Johannes Fried erstmals öffentlich mit der Phantomzeitthese beschäftigt hat (Festvortrag).
Es darf über die Hintergründe dieser Aufwärmaktion spekuliert werden …
Christian Staas, der Chefredakteur von ZEIT GESCHICHTE, hat das Interview geführt.
Vermutlich hat Fried die Geschichte von Illig, allerdings können wir da nicht sicher sein. Fried hat sich zwar 1995 mit Illig befasst, aber sehr gründlich informiert hat er sich damals nicht. Zu prüfen wäre mal, ob es bei Fried weitere Hinweise auf ZS-Lektüre gibt. Übrigens erwähnt Illig seine Entlarvung Benedikts auch auf Seite 69 von Wer hat an der Uhr gedreht?
Anstatt sich jetzt über Frieds Ignoranz oder gar Ideenklau aufzuregen, sollten wir uns lieber darüber freuen, dass sich ein namhafter Historiker überhaupt so weit vorwagt, wie es Fried gerade tut. Mit seinem SPIEGEL-Artikel über den “Dunklen Leuchtturm” hatte er sich vor längerer Zeit ordentlich in die Nesseln gesetzt. Insofern kann man ihm einen gewissen Mut nicht absprechen.
Fällig ist jetzt auf jeden Fall die Netzveröffentlichung von Illigs Benedikt-Artikel.
Das denke ich aber auch: http://www.fantomzeit.de/?p=2575
Stimmt, jb, es gibt keinen Grund sich über Fried aufzuregen. Ebenso wenig einen, sich über solche Texte eines Historikers zu freuen. Fried kennt die Karlsthese von Illig; woher nimmst du die Gewissheit, dass er sich “damals nicht gründlich informiert” hat? Dass er als lehrender Historiker die Veröffentlichungen der Chronologiekritiker einigermaßen im Blick hat, darf man erwarten.
Ein “gewisser Mut”? Während Fried den Benedict mit sieben Jahren Verspätung als mythisch und fiktiv “vermutet”, wird Karls Mythos im Spiegel-Text geradezu neu belebt, um erst als Vorbild für Europa obskur werden zu können.
In beiden Texten stelle ich fest,dass er sehr talentiert darin ist, Mythen neu zu erzählen, jedoch nicht in der Lage oder willens, an das veränderte Geschichtsbild eigene neue Fragen zu stellen und Konsequenzen für eine Korrektur der Ereignisgeschichte daraus zu ziehen. Solches wurde bisher nur von Illig im karlsbuch und in den Zeitensprüngen von verschiedenen Autoren unternommen.
Fried, als Erfinder der ‘Verzweiflungsthese’ von den Vorratsfälschungen im Mittelalter, hat hier nicht den schlechtesten Weg gewählt, um eine grundsätzliche Geschichts- und Chronologiekritik immer überflüssiger erscheinen zu lassen.
War das nicht Fuhrmann?
oh ja,stimmt. Danke für die Korrektur . Da hab ich mich vertan – wie konnte das nur passieren…
Fried (geb. 1942) war von 1996 bis 2000 Vorsitzender des Verbandes der Historiker Deutschlands; ist Mitglied der Zentraldirektion der Monumenta Germaniae Historica, des Konstanzer Arbeitskreises für mittelalterliche Geschichte, der Frankfurter Historischen Kommission, der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, des Wissenschaftlichen Beirates der Historischen Zeitschrift und Mitherausgeber des Deutschen Archivs für Erforschung des Mittelalters sowie Vorsitzender der Deutschen Kommission für die Bearbeitung der Regesta Imperii bei der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz.
– zum Unterschied –
Fuhrmann (geb. 1926) war von 1971 bis 1994 Präsident der Monumenta Germaniae Historica und Ordinarius für Geschichte an der Universität Regensburg, 1974 wurde er ordentliches Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und von 1992 bis 1997 deren Präsident. [wikipedia]
noch ‘ne Korrektur: es sind natürlich nicht sieben sondern siebzehn Jahre seit Illigs Beitrag vergangen!