Eine Diskussion, die nicht mehr abreißt

Die im Artikel Grenzwissenschaftlich erwähnte Diskussion läuft erstaunlicherweise immer noch und hat sogar an Intensität stark zugenommen. Gerade eben ist sie – bei zehn Beiträgen pro Seite – auf Seite 27 (!) angelangt. Zur Zeit erscheinen mehrere Beiträge pro Tag. Das liegt nicht zuletzt daran, dass sich am 20. Februar als neuer Gegner der FZT Altfrid II. und am 25. Februar die beiden Befürworter Le Tombeau und Chronometer im dortigen Forum haben registrieren lassen. Die neu Registrierten sind vermutlich durch unseren Hinweis aufmerksam geworden.

Die Debatte wird streckenweise auf hohem Niveau geführt und bringt auch interessante Hinweise. So hat etwa der FZT-Gegner Acolina die Mettlacher Grabkirche als Vorgängerbau für den Aachener Dom ins Gespräch gebracht. Diese Kirche wird in Veröffentlichungen aus unseren Kreisen m. W. nur ein einziges Mal in Illigs Erfundenem Mittelalter erwähnt (S. 272). Der aus dem späten 10. Jahrhundert stammende Bau war als Grablege für den Gründer des Mettlacher Klosters Liutwin gedacht, der allerdings schon 722 n. Chr. gestorben war.

(Einige Zeitenspringer denken darüber nach, den Aachener Dom in Abweichung von Illigs Einschätzung ins 6. Jahrhundert zu datieren. Damit würde man Argumente wie die hier von Matthias Müller-Götz aufgezählten unterlaufen. Kirchen wie die Mettlacher Marienkirche oder etwa auch Sankt Marien in Ottmarsheim und die Essener Damenstiftskirche mutierten dann natürlich wieder zu Nachfolgebauten von Aachen. Vorstellbar wäre in diesem Fall, dass Aachen noch ein byzantinisches Produkt war, während die viel kleineren ottonischen Kirchen erste westliche Nachahmungsversuche darstellten.)

Weiter kam Altfrid II. auf den weißen Elefanten des Harun al-Raschid zu sprechen. Darüber entspann sich eine Debatte, in der informative Literatur und Links ausgetauscht wurden. FZT-Befürworter Perfidulo fand heraus, dass die englische Wikipedia Harun sogar zwei Elefanten schenken lässt. Als Quellen für die Elefanten-Legende werden dort Einhard und Notker angegeben. Noch spannender ist die französische Wikipedia, und ab diesem Punkt sei Perfidulos Beitrag 212 der ganzen Länge nach wörtlich zitiert:

Die Franzosen sind etwas wortkärger

Zitat:
Sous l’administration de ses vizirs barmécides, Bagdad devint la capitale intellectuelle de son époque. Des écoles, des hôpitaux et des bibliothèques furent construites. La traduction des textes latins et grecs fut encouragée et les savants venaient à Bagdad de toutes les régions de l’empire. On dit qu’il y eut échange de cadeaux et de correspondance entre Hârûn ar-Rachîd et Charlemagne. L’éléphant d’ivoire, appelé « éléphant de Charlemagne » conservé à la BNF et faisant partie du trésor de l’abbaye de Saint Denis, a longtemps été considéré comme un cadeau fait par Hârûn ar-Rachîd.

Ich habe da einen furchtbaren Verdacht. L’éléphant d’ivoire, appelé « éléphant de Charlemagne » womit ein Jagdhorn (Olifant) aus Elfenbein gemeint ist, hat sich zum veritablen Dickhäuter (Farbe:weiß) gemausert.

http://www.bonnensia.de/geschichte/karl029.htm

Zitat:
4) Dass dieser Elefant seine historische Vorlage vermutlich erst in jenem hat, den Friedrich II. vom Sultan Malik al-Kamil von Babylon und Ägypten geschenkt bekam anläßlich des Vertrages über die Abtretung Jerusalems im Jahre 1229, zeigt HEINSOHN: Kaiserelefanten des deutschen Mittelalters – Karl der Große und Friedrich II. von Staufen. In: ZS 2/2000, 228-233

Quelle

http://www.prismenfernglas.de/etymologie.html

Zitat:

Elfenbein: Hieß ursprünglich Elefantenbein, hat also nichts mit Elfen zu tun, wobei bein im althochdeutschen Knochen bedeutete, was noch heute in Wörtern wie Beinhaus, Gebein oder im englischen bone = Knochen einen Niederschlag findet. Elefant kommt wiederum von elephas, dem griechischen Wort für – Elfenbein.

Dass Karls weißer Elefant ursprünglich ein Jagdhorn gewesen sein mag, ist m. W. eine veritable Entdeckung, die es verdient, hier gewürdigt zu werden. Der Leser möge sich das Horn über den angegebenen Link selbst anschauen. Es war von den Pyrenäen bis kurz vor Paris zu hören, wie Chronometer zu berichten weiß.

Hinter Chronometer wird man übrigens Hans-Erdmann Korth vermuten dürfen, denn in Beitrag 215 zählt er wie sonst Korth Parallelen zwischen den byzantinischen Kaisern Konstantin dem Großen und Herakleios auf. Korth hat aus diesen Parallelen bekanntlich geschlossen, Konstantin sei eine Rückprojektion des Herakleios und keine historisch reale Figur. Die Parallelen würden die Unstimmigkeit der Illig’schen FZT beweisen. Hier sei auf die Alternative hingewiesen, dass die Biographie des Herakleios der des Konstantin nachgebildet wurde. Diese Möglichkeit wäre mit der FZT Illig’scher Prägung vollkommen im Einklang, denn Herakleios ist ja größtenteils ein fantomzeitlicher Kaiser.

Im übrigen hat Le Tombeau völlig Recht, wenn er in Beitrag 166 bemerkt:

das traurige ist – und das vorneweg – daß dieser topic
unter der rubrik “politik & wirtschaft”-“verschwörungs-
theorien” eröffnet wurde. der autor hat dem ganzen
anliegen damit keinen gefallen getan! schon die dis-
kussion als “grenzwissenschaft” liefert die phantom-
zeitthese zu unrecht einer verdächtigung als unseriös
aus, die sie nicht verdient.

Diskussionen, in denen die FZT als politisch motivierte Verschwörungstheorie wahrgenommen wird, sind immer schon vorbelastet und lassen die Illig-These von vorneherein im schiefen Licht erscheinen. Eine sachliche Prüfung der These ist dann erfahrungsgemäß kaum noch möglich, wird von den Gegnern freilich auch gar nicht gewünscht. Die falschen Töne etwa bei Franz Krojer haben in einer solcherart motivierten Voreinstellung ihren Ursprung. Kürzlich konnten wir das Phänomen in der hier kommentierten Debatte im Blog des Politikwissenschaftlers Ali Arbia studieren.

In der gegenwärtigen Diskussion des Forums für Grenzwissenschaften macht sich die Schieflage der Debatte vor allem in den oft unsachlichen Interventionen des Moderators Tarlanc bemerkbar. Dieser scheint selbst – freundlich ausgedrückt – historisch nicht vorgebildet zu sein, glaubt aber gleichwohl sehr genau zu wissen, was “Historiker” alles wissen und was Vertreter der Fantomzeitthese “folglich” alles ignorieren. Dass auch wir Zeitenspringer Historiker in unseren Reihen haben und dass man zudem nicht hauptberuflich Historiker sein muss, um über einen bestimmten Bereich der Geschichte hervorragend informiert zu sein, sind offenbar Umstände, vor denen die (gut-)gläubigen Adepten des historischen Mainstreams gerne die Augen verschließen.

Es ist ein großes Verdienst von Perfidulo und den neu dazu gestoßenen Vertretern der FZT, unter diesen wenig günstigen Umständen kühles Blut zu bewahren und sachlich weiter zu argumentieren. Perfidulos bewundernswerte Reaktion auf ein paar hässliche Beleidigungsversuche durch den Moderator (!) verdient es, hier zitiert zu werden:

Ich will die Diskussion nicht abbrechen, denn kann kommt unvermeidlich der Vorwurf, man wolle nur der Diskussion ausweichen. Aber ich meine, auch Du bist in der Pflicht konstruktiv beizutragen und nicht mit Beleidigugen (Crackpot, Geschwurbel) zu kommen.

Wir Zeitenspringer dürfen uns freuen, unsere These durch jemanden verteidigt zu sehen, der mit gegnerischen Tiefschlägen so souverän umgehen kann und sich durch sie nicht aus dem Konzept bringen lässt.

Abschließend sei noch auf die falsch gestellte Frage eingegangen, die Altfrid II. im Beitrag 188 formuliert: “Warum sind die Chronologiekritiker eigentlich so scharf darauf, von der Wissenschaft anerkannt zu werden?” Falsch gestellt ist die Frage, weil sie erstens ignoriert, dass die meisten von uns selbst Wissenschaftler sind. Und zweitens wollen natürlich nicht “die Chronologiekritiker” von der Wissenschaft anerkannt werden. Sie wollen nur, dass an unseren Hochschulen gute Wissenschaft gemacht wird. Dazu gehört im Bereich Mediävistik, dass Illigs These endlich ernst genommen wird.

Sous l’administration de ses vizirs barmécides