Die Schieflage vor Einführung des “Sichtens”
von Jan Beaufort
Die beiden Hauptfehler, die dem wikipedia-Artikel Erfundenes Mittelalter im vorigen Beitrag angelastet wurden, gehen zweifellos nicht direkt auf das Konto der „Sichter“. Die Fehler sind zudem bei näherer Überlegung gravierender als es auf den ersten Blick scheint. Der wikipedia-Artikel war insofern schon lange fragwürdig und irreführend. Das nicht sofort mit der gebotenen Klarheit erkannt und gezeigt zu haben, war ein Versäumnis meines vorigen Beitrags. Allerdings berührt dieses Versäumnis nicht die dort aufgestellte These über die Problematik der „Sichtung“. Im Folgenden werde ich zuerst erläutern, warum die beiden genannten Fehler elementar und schwerwiegend sind, um dann am Schluss noch kurz auf das Sichtungsverfahren zurück zu kommen.
1. Die Übertreibung der Bedeutung des Kalenderarguments
Der wikipedia-Artikel behauptet, dass Illigs Theorie „ihren Ursprung und damit ihre erste Grundlage in der Kritik des tradierten Kalenders hat. Heribert Illig kam auf die Theorie vom Erfundenen Mittelalter durch seine Annahme, dass die bei der Kalenderreform durch Papst Gregor XIII. im Jahr 1582 vorgenommene Berichtigung des julianischen Kalenders von zehn Tagen um drei Tage zu kurz ausgefallen sei.“
Diese Darstellung ist falsch, und zwar gründlich. In Wirklichkeit kam Illig auf die Theorie vom erfundenen Mittelalter, weil es hier um so genannte „dunkle Jahrhunderte“ (dark ages) geht. Illig war ein Kenner der Schriften des Psychoanalytikers Immanuel Velikovsky, der auf Widersprüche in der Alten Geschichte aufmerksam gemacht hatte. Insbesondere interessierten Velikovsky Zeiträume, die zwar aufgrund von Schriftquellen (etwa Königslisten) als real angenommen wurden, denen aber keine archäologische Grundlage entsprach. Er schlug vor, die Chronologie der Alten Geschichte um diese Leerzeiten zu kürzen.
Dass auch im Mittelalter eine solche Leerzeit im Sinne Velikovskys vorliegen konnte, war zunächst unwahrscheinlich. Hier gab es eine derartige Menge an Schriftquellen, dass alle anderen Erklärungen für die bestehende archäologische Fundarmut und das weitgehende Fehlen von Bauten vorzuziehen waren. Erst der Fälschungskongress der Monumenta Germaniae Historica im Jahre 1986 machte den Weg für neue Überlegungen frei. Im Mittelalter wurde offenbar in einer Massenhaftigkeit gefälscht, die für Laien kaum vorstellbar ist. Ab jetzt musste auch die Erfindung einer ganzen Epoche zu den ernst zu nehmenden Möglichkeiten zählen. Horst Fuhrmanns Vortrag über Fälschungen „mit antizipatorischem Charakter“, die angeblich Jahrhunderte vor ihrer politischen Brauchbarkeit erstellt worden waren, tat ein Übriges. Der Verdacht erhärtete sich, dass hier etwas grundlegend faul war.
Das Erste, was daraufhin selbstverständlich zu tun war, war die Überprüfung der christlichen Zeitrechnung, denn sie zählt von Christus bis heute zwei Millennien und lässt keinen Raum für mehrere Jahrhunderte Leerzeit. Als Illig dann entdeckte, dass der Anschluss des Gregorianischen an den Julianischen Kalender mit allergrößten Problemen behaftet ist, fiel der stärkste Einwand gegen die These einer frühmittelalterlichen Leerzeit weg. Es machte offenbar Sinn, in diese Richtung weiter zu forschen. Die Unklarheit bzw. die unbewiesenen Behauptungen darüber, was eigentlich beim Konzil von Nicaea über den Frühlingstermin beschlossen worden war, machten die traditionelle Theorie ein weiteres Mal suspekt.
Es trifft also mitnichten zu, dass Illig „auf die Theorie vom Erfundenen Mittelalter [kam] durch seine Annahme, dass die bei der Kalenderreform durch Papst Gregor XIII. im Jahr 1582 vorgenommene Berichtigung des julianischen Kalenders von zehn Tagen um drei Tage zu kurz ausgefallen sei.“ Was Illig wirklich entdeckte, war die Hinfälligkeit der päpstlichen Berufung auf einen vorgeblichen Beschluss des nicaenischen Konzils zum Frühlingsdatum. Für diese Berufung gibt es keine historische Grundlage. Sie erscheint im Gegenteil als improvisiert, um den im Jahre 1582 notwendig gewordenen Kalendersprung von 10 Tagen nachträglich zu legitimieren.
Dieser Fehler im wikipedia-Artikel könnte nun unbedeutend erscheinen und seine Behauptung ein Versehen. Er ist es aber nicht. Denn das Herausheben des Kalenderarguments drängt die eigentliche Problematik in den Hintergrund. Während das Kalenderargument für sich genommen kein zwingender Grund ist, dreihundert Jahre im Frühmittelalter zu streichen, ist der „Widerstreit von Bauten, Funden und Schriftquellen“ das sehr wohl. Erst dieser Widerstreit macht aus dem Frühmittelalter einen klaren Fall von „dunklen Jahrhunderten“ im Sinne Velikovskys. Das Kalenderargument zeigt dagegen lediglich, auf wie wackeligen Beinen die christliche Zeitrechnung steht. Aus ihr lässt sich kein Argument gegen Illigs These ableiten.
Das Kalenderargument ist also kein strenger Beweis für ein erfundenes Mittelalter, es ist nur eins der zahllosen Indizien. Wer so tut, als sei die Kalenderproblematik das Hauptargument für die Phantomzeitthese, stellt diese in einer Weise dar, die sie zu einem leichten Opfer wohlfeiler Kritik macht.
2. Das Verschweigen der byzantinischen Umschreibe-Aktion und des „Erzfälschers“ Konstantin VII. Porphyrogennetos
Der zweite Hauptfehler im wikipedia-Artikel ist die Behauptung, nach Illig „seien vom 10. Jahrhundert bis in die Zeit von Friedrich II. zahlreiche Urkunden von Majuskel-Schrift auf Minuskel-Schrift umgestellt worden“. Zugleich ist im wikipedia-Beitrag mit keinem Wort die Rede vom „Fälscher auf dem Kaiserthron“ Konstantin VII. Porphyrogennetos, den Illig für den Urheber der Zeitfälschungsaktion hält.
Was behauptet Illig wirklich? Illig zitiert auf Seite 165 f. von Wer hat an der Uhr gedreht? den Byzantinisten Peter Schreiner, der im Einklang mit der unter Byzantinisten herrschenden Meinung (vgl. Kommentar 3 zum vorigen wikipedia-Beitrag, Punkt 5) über eine in Byzanz erfolgte Umstellung von Majuskel auf Minuskel schrieb:
Ab 835 tritt neben die übliche Majuskelschrift die Minuskel, „die aus Formen der Kursivschrift hervorging. Viele Einzelheiten dieses Prozesses liegen noch im dunkeln […]. Doch sind in unserem Zusammenhang diese Fragen weniger wichtig als die Tatsache, daß im Laufe etwa eines halben Jahrhunderts fast sämtliche in Majuskel abgefaßten Texte in die Minuskel umgeschrieben wurden. […] Bereits um 900 entsteht – abgesehen von liturgischen Texten – kaum mehr ein Codex in der alten Schriftform. Über die Durchführung dieser Arbeit besitzen wir keine einzige Information, sichtbar ist allein das Resultat. Hypothetisch geht man davon aus, daß nur jeweils eine einzige Vorlage abgeschrieben und dann meist vernichtet wurde. Dies erfordert allerdings eine Planung, Leitung und Zentralisierung, die schwer denkbar ist. Mit Sicherheit war eine große Menge an Kopisten tätig, die (wie viele der exakt geschriebenen Codices zeigen) auch gute Kenntnisse in der klassischen Sprache hatten oder von gebildeten Spezialisten unterwiesen wurden. Diese Tätigkeit geht, wie immer, still vor sich, aber sie hat unzweifelhaft auf breiterer Ebene zu einer Wiederbeschäftigung mit alten Texten, kirchlichen und profanen, den Weg geebnet. Der gesamte Vorgang der Umschrift ist kulturgeschichtlich von nicht geringerer Bedeutung als die besser bekannte ‘Reinigung’ der nationalen lateinischen (‘gotischen’) Schriftformen durch die Humanisten im späten 14. Jahrhundert.“
Weil die byzantinische Umschreibe-Aktion bis ins 10. Jahrhundert fortgesetzt wurde, vermutete Illig, dass sie zur Gänze auf den in Verdacht geratenen Kaiser Konstantin VII. Porphyrogennetos zurück geht. Warum gerade dieser Kaiser verdächtigt wurde, wird vielleicht verständlich, wenn wir uns über Konstantins Wirken durch den (nicht von Illig zitierten) John Julius Norwood informieren. Norwood schreibt (Byzanz. Auf dem Höhepunkt der Macht, Augsburg 2000, S. 209 f.):
Weiter hat Konstantin „mit Hilfe ganzer Heerscharen von Schreibern und Kopisten Auszüge aus sämtlichen verfügbaren Manualen und Abhandlungen über alle möglichen Sachgebiete zusammengestellt: Militärstrategie, Geschichte, Diplomatie, Gesetzeskunde, Hagiographie, Medizin, Ackerbau, Naturwissenschaften, ja sogar Tiermedizin. Aus alledem entstand eine echte Enzyklopädie, ein Nachschlagewerk von unschätzbarem Wert für die Zivilverwaltung des Reiches und lange Zeit auch jene bevorzugten Einzelpersonen, die Zugang dazu hatten. An diesem Werk zeigen sich nicht nur Umfang und Qualität der kaiserlichen Privatbibliothek, sondern auch, wie allumfassend interessiert Konstantin war. Er soll ein leidenschaftlicher Sammler gewesen sein und nicht nur Bücher, sondern auch Kunstwerke jeder Art gesammelt haben. Daß er auch malte – und wenn man Liutprand von Cremona Glauben schenken darf, gar nicht mal so schlecht –, ist für einen Mann seines Standes und seines Milieus erst recht ungewöhnlich. Schließlich betätigte er sich auch als großzügiger Mäzen und unterstützte die Herstellung von Mosaiken, Emaillearbeiten, literarischen und gelehrten Werken sowie von Silber- und Goldschmiedekunst. Konstantin Porphyrogennetos kommt der zentrale Platz innerhalb der literarischen und künstlerischen Erneuerung des zehnten Jahrhunderts, die als ‘makedonische Renaissance’ bekannt ist, weniger in seiner Eigenschaft als Kaiser, sondern in jener als Schriftsteller, Gelehrter, Kompilator, Sammler, Bücherliebhaber, Maler und Mäzen zu.“
Illig zählt hier also eins und eins zusammen, was auf die Idee einer örtlich und zeitlich klar lokalisierten byzantinischen Fälschungsaktion führt. Der Verdacht wurde anschließend durch mehrere Indizien bestätigt. Für den Westen hat Illig dagegen nie eine vergleichbare Aktion postuliert. Hier liegen die Verhältnisse viel komplexer. Weder Illig noch die traditionelle Geschichtsschreibung wissen etwas davon, dass „bis in die Zeit von Friedrich II. zahlreiche Urkunden von Majuskel-Schrift auf Minuskel-Schrift umgestellt worden“ seien. Bestenfalls ließe sich aus Sicht der Phantomzeittheorie sagen, dass die so genannte karolingische Minuskel in der Nachphantomzeit kreiert wurde, um damit nachträglich karolingische Schriften zu verfassen. Die wikipedia-Autoren haben also mit der konstantinischen Fälschungsaktion nicht nur ein wesentliches Glied in Illigs Argumentation verpasst, sie haben für den Westen auch einen Fälschungsvorgang frei erfunden.
Warum liegt hier nun ein gravierender Fall von Fehlinformation vor? Warum handelt es sich bei der porphyrogennetischen Aktion um ein zentrales Theorem der Phantomzeittheorie? Der Grund ist, dass Illigs These einen Umstand in Erinnerung ruft, den traditionelle Geschichtsschreibung lange verdrängt hat: nämlich dass im 10. Jahrhundert Konstantinopel ein Bildungszentrum war, das in der übrigen Welt seinesgleichen suchte. Was in Konstantinopel an historischem Bildungs- und Wissensstand vorgegeben wurde, musste in den Staaten, die die Nachfolge des weströmischen Reiches angetreten hatten, als Autorität gelten. Tatsächlich genoss die Chronik des Theophanes, die gemäß Illig die künstlich verlängerte Chronologie in die Historiographie eingeführt hat, im Westen hohes Ansehen – wie Byzantinisten übereinstimmend berichten. Sie kann also sehr wohl für spätere westliche Geschichtschreibung maßgeblich geworden sein.
Nur auf diese Weise wird eine bis in unsere Zeit nicht aufgedeckte mittelalterliche Zeitfälschung von drei Jahrhunderten vorstellbar. Das Ignorieren der Illig’schen Vermutung über den Urheber der mittelalterlichen Zeitfälschungsaktion führt also erstens zur Unmöglichkeit, sich ein plausibles Bild von den zu rekonstruierenden Vorgängen zu machen. Darüber hinaus aber kann nicht mehr sinnvoll über das Motiv der Fälschung nachgedacht werden. Dass es für die Aktion vermutlich einen sehr guten Grund gab, habe ich in meinem Zeitensprünge-Beitrag Wer erfindet historische Zeit? ausgeführt: Es ging um die Vereinheitlichung der Osterfestberechnung und -regelung im Reich. Sie wurde sowohl in der Ost- als in der Westkirche erfolgreich im Sinne Konstantinopels durchgesetzt und hielt bis zur gregorianischen Kalenderreform im Jahre 1582, als die Einheit der Kirche in Bezug auf Ostern wieder zerbrach, weil sich die Ostkirche der Reform verweigerte. Wie zur Bestätigung dieser Vermutung über das Motiv zeigt auch von Illig unabhängige Forschung, dass der Chronik des Theophanes ein komputistisches Schema zugrunde liegt, das sich am später so wichtig gewordenen so genannten „großen Osterzyklus“ von 532 Jahren orientiert (vgl. Kommentar 31 zu Wer erfindet historische Zeit?).
Nochmals: „Sichter“ und „Vandalen“
Wer ist nun für die genannten Fehler verantwortlich? Sie sind älter als das Verfahren der Sichtung. Offenbar gehen sie in diesem Fall auf das Konto der beteiligten Autoren. Haben wir uns also nicht genug um den wikipedia-Eintrag gekümmert? Sind wir selbst schuld – wie Vinzenz Obinger (Helmut Zenz) in einer ersten Reaktion auf meinen vorigen Beitrag meinte?
Ich bin davon überzeugt, dass das nicht der Fall ist. Der wikipedia-Artikel Erfundenes Mittelalter war bis vor kurzem ein schwer umkämpftes Schlachtfeld. Immer wieder wurden dort gute Ansätze durch „Vandalen“ verändert oder gelöscht. Bei zahlenmäßiger Unterlegenheit unsererseits wurde das Ganze zu einer Zeitfrage, bei der wir zwangsläufig den Kürzeren ziehen mussten. Es galt ja nicht nur, den Eintrag Erfundenes Mittelalter zu überwachen. Auch andere Artikel wie etwa die über Chronologiekritik oder Heribert Illig waren zu versorgen. Das alles war wie ein Fass ohne Boden.
So blieb die wikipedia unsererseits eher ein Nebenschauplatz, der nicht zu größerem Engagement reizte. Lieber gründlich geforscht und mit wirklich Interessierten konstruktiv diskutiert als jeden Tag um die Früchte seiner Arbeit gebracht zu werden. Der Gedankenaustausch in den Zeitensprüngen und die Selbstpräsentation auf der eigenen Homepage schienen Vorrang zu haben. Aus Sicht der meisten von uns galt es, die Forschung voranzutreiben und die Öffentlichkeit nicht in ermüdenden Schlammschlachten, sondern durch neue und spannende Forschungsergebnisse zu überzeugen. Die Phantomzeittheorie ist ein Langzeitprojekt, Tagesaktualität ist nicht ihre Sache.
Unter diesen Bedingungen mussten diejenigen, die trotzdem an einer guten wikipedia-Darstellung der Illig-Theorie interessiert waren, von der eigentlichen „Forschungsfront“ mehr oder weniger getrennt arbeiten. So konnten sich im täglichen Kampf gegen die „Vandalen“ Fehler einschleichen, die unter normalen Umständen keine Chance gehabt hätten. Hier aber die Hand in den eigenen Busen zu stecken wäre völlig Fehl am Platz. Dazu ist viel zu viel Wertvolles geleistet worden. Nicht uns, sondern die gegnerischen „Vandalen“ trifft die Schuld am schlechten Zustand des wikipedia-Eintrags.
Gewiss hätte der Einsatz für die wikipedia nicht auf ewig aussichtslos bleiben müssen. Steter Tropfen höhlt den Stein, mögen sich die konstruktiv arbeitenden wikipedia-Autoren gesagt haben. Insofern ist das Verfahren der „Sichtung“ sehr wohl ein Einschnitt, der für den wikipedia-Auftritt der Phantomzeittheorie Konsequenzen hat. Das „Sichten“ schreibt Verhältnisse fest, die das Kennenlernen und Verstehen der Illig-Theorie stark erschweren. Die These meines vorigen Beitrags, dass die wikipedia durch das Verfahren der „Sichtung“ zu einem gewöhnlichen Lexikon verflacht und „Mindermeinungen“ keine Chance mehr haben, ist aufrecht zu erhalten. War der wikipedia-Artikel über das „Erfundene Mittelalter“ schon vorher stark fehlerbehaftet, so ist er dies jetzt noch viel mehr und vermutlich endgültig. Vielleicht wäre es sogar zu begrüßen, wenn der Artikel in der heutigen Form nicht überlebt und vollständig gelöscht wird.
Die Schlußfolgerung des vorigen Beitrags ist folglich beizubehalten: Die wikipedia war einmal ein spannendes gesamtgesellschaftliches Experiment. Durch das neue Verfahren der „Sichtung“ ist sie ausgerechnet dort unbrauchbar geworden, wo sie sich von den üblichen Nachschlagewerken unterschied: nämlich dort, wo sonst nicht zu Wort kommende Minderheiten einen wesentlichen Beitrag zum allgemeinen Wissensstand leisten können. Zusammen mit den zweifellos im ursprünglichen Ansatz begründeten Nachteilen beseitigt die neue wikipedia-Politik auch dessen Vorteile. Das Kind wird mit dem Bade ausgeschüttet. Wer sich im Netz informieren will, wird sich in Zukunft nicht mehr auf die wikipedia verlassen können und verstärkt andere Mittel zu Hilfe nehmen müssen.
Sehr erhellender Beitrag. Indem der Illigweg zur Formulierung der frühmittelalterlichen Fantomzeitthese(FZT) nochmals aufgezeigt wird, werden die Indizien für die FZT deutlich gewichtet und nach Relevanz sortiert. Das Kalenderargument verliert gegenüber der Fundleere vom 7. – 10. Jh. entschieden an Belegrelevanz, man kann die FZT also nicht auf dieses Argument verkürzen. Um den Illigweg nachzuvollziehen, kann ich nur wieder auf Andreas Ottes hrsg. Festschrift “Zeitenspringer” verweisen.
Die Wikipediaproblematik sollte in Zeitenspringerkreisen allerdings noch gründlich diskutiert werden.Es reicht nicht, über den alten Verlust zu trauern, schon gar nicht, wenn der alte Artikel eh irreführend war.
Wikipedia ist und wird auch in naher Zukunft ein wesentliches Steuerungsinstrument des Informationsmarktes sein und bleiben. Sich dieser Marktlage nicht zu stellen ist schlichtweg dumm,zumal auch der Spiegel inzwischen mit Wikipedia verbandelt ist.
Die Forschungsergebnisse der Autoren rund um die Zeitensprünge müssen jeden Weg ins öffentliche Bewußtsein nutzen, wenn man nicht im stillen Keller vertrocknen will. Allerdings nicht in so verkürzter Form wie oben kritisiert. Natürlich kann ich jb und andere gut verstehen, wenn sie den Schwerpunkt ihrer eigenen Arbeit in der Forschung sehen. Das gilt aber sicherlich nicht für jeden Zeitenspringer, ich denke, dass sich Leute mit Medienerfahrung durchaus finden lassen. Die entscheidende Frage bleibt dann allerdings, auf welcher Vertrauensgrundlage diese “Lautsprecher” arbeiten können, sollen, dürfen.
Als zwar nicht am Artikel, sondern nur der Diskussion desselben, Beteiligter möchte ich noch etwas ergänzend zu Vinzenz Obingers Beiträgen bemerken.
Grundsätzlich sollte man nur in Wikipedia-Artikeln schreiben, wenn man den Umstand, daß die Zukunft des Geschriebenen in keiner Weise mehr in der Verfügungsgewalt des ursprünglichen Verfassers liegt, akzeptiert. Das Urheberrecht reduziert sich für Wikipedia-Mitarbeiter darauf, daß sie normalerweise nicht aus der Historie entfernt werden.
Daraus folgt, daß letztlich keine Aussagen eine Überlebenschance haben, die nicht im Mainstream unübersehbar rezipiert werden, falls es sich nicht um Details zu pornographischen Praktiken handelt.
Interessanterweise haben sich im Fall des EMA-Artikels ein Extremist des Konformismus, nämlich der genannte Liudger, und ein bekennender “Bright” zusammengefunden, um der Gemeinde mal so richtig zu zeigen, wie man vermeintliche Sektierer abkanzelt. Daß dies in keiner Weise mit dem wesentlichen Prinzip der Wikipedia, nämlich nur Sekundärquellen wiederzugeben, vereinbar ist, ist den Admins der Wikipedia piepegal, solange sie sich in Übereinstimmung mit dem juste milieu glauben.
Für mich am interessantesten im Verlauf der Diskussion war der Eifer der Gegenseite, Sir Isaac Newton um jeden Preis aus dem Artikel Chronologiekritik herauszuhalten. Der kindliche Glaube an die Unfehlbarkeit des großen Physikers läßt die prominente Erwähnung seiner chronologischen Versuche einfach nicht zu.
@emma: M.E. ist also die Wikipedia der falsche Hebel, um ins öffentliche Bewußtsein zu gelangen. Umgekehrt mag es gehen.
Bla Bla Bla.
@ jb und emma: Schuster bleib bei deinen Leisten. Ihr mögt vielleicht die größeren Experten in Sachen Fantomzeit sein, die Grundprinzipien von Wikipedia habt ihr immer noch nicht verstanden. Liegt vermutlich auch daran, dass ihr in Sachen “Schuldfrage” das Pilatus-Prinzip anwendet. “Ich wasche meine Hände in Unschuld” und “Schuld sind immer die anderen”. Ein sich verabschiedender “Illig-Gegner” HZ
Hier findet sich ein witziger und zutreffender Kommentar des Unternehmers und Publizisten Guido Augustin zum Thema “Sichtung”. In einem Punkt irrt der Autor allerdings: Der wikipedia-Eintrag “Sichter” ist selbst bereits “gesichtet”. Demnach ist ein “Sichter” definitiv “eine Vorrichtung zur Klassierung von Feststoffen nach definierten Kriterien wie Partikelgröße, Dichte, Trägheit und das Schwebe- oder Schichtungsverhalten von Stoffen” …
Wer Wikipedia wirklich verstehen will und zugleich das Schattenboxen von jb, orientiere sich lieber an den einschlägigen Wikipedia-Seiten.
1)In Wikipedia wird selbst über die Machtstruktur offen reflektiert, siehe Wikipedia:Machtstruktur, was bislang immer ein hohes Maß an Selbstkontrolle und Fehlerkorrektur gewährleistet hat, wenn´s auch manchmal etwas länger dauert.
2)Es handelt sich ausdrücklich immer noch um einen Testlauf, siehe Hilfe: Gesichtete und geprüfte Versionen
3) Die Sichtung ist in der Testphase und es findet in Wikipedia selbst eine selbstkontrollierende Umfrage über deren Erfolg statt, die zur Zeit mehrheitlich gegen sie steht. Ergo ist der Fantomzeit-Zwischenfall zwar ärgerlich, aber bei Zeiten grundsätzlich revidierbar, wenn zum Beispiel das Sichtungssystem wieder abgeschafft wird. Vgl. Umfrage
Zum besseren Verständnis: Hier die Version, bevor ich begonnen habe, den Artikel “Erfundenes Mittelalter” mitzugestalten. Vielleicht war er ja womöglich der Bessere. So viel zum Thema “Schieflage”.
Offenbar verleiten die Möglichkeiten zur Machtausübung regelmäßig dazu, unerwünschte Aussagen zu unterdrücken. Vorwände dafür gibt es immer.
Wer das eigene Forum sperrt, anstatt für formale Disziplin der Teilnehmer zu sorgen, der sollte sich über die einseitige ‘Sichtung’ bei Wikipedia nicht aufregen!
Es ist es noch keine 2 Jahre her, dass sich jb gegen eine unerwünschte Beiträge aussondernde ‘Moderation’ im Usenetforum de.sci.geschichte engagiert hat. Jetzt verlangt er selbst nach einer solchen – sic transit gloria mundi!
Erstens: Wie gst sehr wohl weiß, lässt sich formale Disziplin ohne das Wohlwollen der Betroffenen nur mit Sanktionen herbeiführen. Diese gibt es in einem Forum ohne Möglichkeit der Vormoderation nicht – es sei denn, man macht sich rigoros ans Löschen und Account-Sperren, was wir nicht wollten.
Zweitens: Ich habe nirgendwo geschrieben, dass ich generell jede Art von Moderation, Kontrolle oder “Sichtung” der wikipedia-Diskussionen und -Beiträge ablehne. Ich kritisiere nur eine Vorgehensweise, die das Kind (den freien Informationsfluss) mit dem Bade (dem Rauschen) ausschüttet. Wenn schon Sichtung in der vorgeschlagenen Form, dann sollte neben dem neuen, gesichteten Lexikon die alte, freie wikipedia weiterlaufen.
Ich glaube nicht, dass gst diese Fehlinformation absichtlich verbreitet. Eine Fehlinformation ist es gleichwohl: Ich habe mich im (unmoderierten) Usenetforum de.sci.geschichte nie gegen und immer für eine Moderation ausgesprochen. Möglicherweise verwechselt gst hier zwei Dinge: de.sci.geschichte hat sich irgendwann auch eine Charta gegeben, die das Diskutieren der FZT verbot. Diese Charta habe ich selbstverständlich immer abgelehnt.
Wie bei der wikipedia scheint mir der sinnvollste Weg bei überhitzten Foren die Einrichtung eines unmoderierten und eines moderierten Forums zu sein. Diese Auffassung vertrat ich damals in de.sci.geschichte und dieser Meinung bin ich auch heute noch. Nicht unoriginell macht das inzwischen der alte Gabowitsch, der neben einem Hauptforum ein “Forum für Einsteiger und Gegner” eingerichtet hat.
Die alte freie Wikipedia existiert weiterhin, sie ist bei gesichteten Artikeln aber nur auf Anforderung sichtbar.
Das Kernproblem für die eM-These im Fall Wikipedia ist der Umstand, daß eine ausführliche Darstellung ohne negative Wertung für die (vermutliche) Mehrheit der Stimmberechtigten nicht akzeptabel ist und auf absehbare Zeit dies auch nicht werden wird. Dies muß man als Wikipedia-Autor hinnehmen, oder man fliegt, früher oder später, freiwillig oder unfreiwillig.
Mir will scheinen, dass das vielleicht in der Theorie der Fall ist, aber nicht in der Praxis des täglichen Gebrauchs. Denn sichtbar sind im Normalfall zunächst nur die gesichteten Versionen. Um zu den ungesichteten zu kommen, muss der Leser sich schon einigermaßen gut auskennen. Soweit ich sehe, geht das nur über den Tag “Versionen/Autoren” – und dann wird er zuerst einmal mit einer verwirrenden Vielzahl von Informationen und Versionen konfrontiert.
Bemerkenswert ist immerhin, dass eine gesichtete Version des Artikels Erfundenes Mittelalter inzwischen einen Link auf unsere Homepage (bzw. auf meinen ersten wikipedia-Beitrag) enthält. Wenn das so bleibt, wäre das ein begrüßenswerter Fortschritt.
Wenn ich von alter freier Wikipedia rede, ist das natürlich ein Oxymoron; schließlich hat man mich dort wegen meiner Argumentation gegen die Umtriebe des Liudger gesperrt, bevor die Sichterei eingeführt wurde.
[…] Dunkelheit oder Leere im frühen Mittelalter? Vorheriger/Nächster Beitrag « Schwedens ausgemusterte Karle, Polens noch früherer Königsverlust | Home | de.wikipedia.org: Erfundenes Mittelalter » 5. Juli 2008 um 13:45 […]
Mich würde interessieren, wie das möglich war. Wer hatte bzw. hat die Befugnis, Autoren auszuschließen?
Es handelt sich um die aktuelle Fassung vom 13. Juli 2008 um 13:44 Uhr – vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Phantomzeit. Der Link wurde allem Anschein nach von Henriette Fiebig in den Artikel aufgenommen.
Es hat zwar wenig Sinn, hier über die Sperrung zu diskutieren, aber unter [[Benutzer:Glasreiniger]] findet man dort einen Link auf den Sperrgrund. Weitere Hinweise findet man über die von mir bearbeiteten Artikel, z.B. [[Francesco Carotta]], [[Diskussion:Wilhelm Kammeier]], [[Diskussion:Pseudowissenschaft]].
Um den Anlaß der Sperrung aus meiner Sicht zu schildern: Liudger hatte Kammeier (aus ziemlich durchsichtigen Gründen) als Nazi darstellen wollen, konnte das aber nicht belegen. Die Dame Fiebig hat sich etwas mehr Mühe gemacht und die Verbindung zu den Kreisen um Mathilde Ludendorff gefunden. Nachdem ich in der internen Seite der Geschichtsredaktion Genauigkeit eingefordert habe, ist ein Admin namens (damals) Finanzer durchgedreht. Der Mann ist mächtig und bestens unter den Admin-Kollegen verlinkt. Das war’s dann.
kleine Ergänzung: die hier stattfindende Diskussion wird offenbar von ein paar Leuten bemerkt (ist wohl nicht ganz das richtige Wort, denn da sind ja auch ein paar Merkbefreite dabei). Diskussion:Henr.
Ein paar Zeilen darüber auch unser Freund Liudger.
aus den Untiefen der ehemals freien Wikipedia
Ich lese dort als Begründung für die Sperrung: “(reiner Diskussionsaccount, hält Mitarbeiter von der Artikelarbeit ab)”. Ich frage mich, wie man durch Diskussion Mitarbeiter von der “Artikelarbeit” abhalten kann? Es gibt doch für niemanden die Pflicht, Diskutanten zu antworten. Hätte man nicht vielmehr froh sein können, dass jemand nur diskutiert und kritische Fragen stellt, anstatt ständig in Artikel einzugreifen?
Auf jeden Fall macht diese Geschichte klar, dass schon vor Einführung der “Sichtung” durch Sperrung von Accounts Einfluss auf Artikel-Inhalte genommen wurde.
Nicht gerade ein Paradebeispiel für eine sachliche Diskussion. Entsprechend gestaltet sich der Artikel über den dort diskutierten Kammeier. Über Kammeier scheint ein Ersatzkrieg geführt zu werden, um das Thema „mittelalterliche Fälschungen“ nicht vertiefen zu müssen.
hallo jb und glasreiniger ich lese diese interessante seite jetzt schon einige wochen mit interesse. warum laßt ihr euch das von der wikipädia bieten. schreibt doch daran mit.
Glasreiniger war ja aktiv, wurde aber gesperrt. Ansonsten mag der Abschnitt aus dem Beitrag die Situation nochmals verdeutlichen:
Aufgegeben haben wir den Wikipedia-Artikel noch nicht, aber man wird erst mal sehen müssen, wohin sich die Wikipedia entwickelt.
Liebe Sara,
es ist nun einmal so, daß das einzige Recht, das ein Autor in der Wikipedia hat, dasjenige ist, zu gehen. Das haben andere, z.B. Vinzenz Obinger, über dessen Behandlung durch einige in diesem Forum nicht sehr glücklich bin, schließlich auch getan. Wenn ich dort nicht erwünscht bin, bitte sehr. Es war immer klar, daß das gemeinsame Schaffen eines Werkes ein großes Maß an Konzilianz bei allen Beteiligten voraussetzt, das in diesem Fall eben nicht bei allen gegeben ist.
Ich habe die Arbeit von Vinzenz Obinger bzw. Helmut Zenz und auch Glasreiniger in der WP verfolgt. Beide haben auf ihre Weise versucht, eine objektive Darstellung zu fördern. Dafür gebührt beiden Dank.
Leider aber stimmt, was Glasreiniger in Kommentar 2 meint: Die Wikipedia ist der falsche Platz, wenn man nicht mit dem Strom schwimmt oder schwimmen will. Da bietet sich die seit Neustem aktive Alternative Gnol schon eher an, denn dort bleibt nicht nur gefeilscht Gemitteltes und somit Verwaschenes bestehen, sondern der Autor muss für sein Werk selbst einstehen. Vielleicht dies mal als Anregung…
Chaos bei wikipedia
Wer momentan in wikipedia nach den Einträgen „Phantomzeit“ oder „Erfundenes Mittelalter“ sucht, wird auf eine ungesichtete Seite gelenkt, die zuletzt am 13. Juli um 13.44 Uhr verändert worden sein soll. Sie zeigt eine ältere Artikelversion aus der Zeit vor Einführung der Sichtung. Die Version ersetzt eine gesichtete und „gestraffte“ Seite mit Link auf unsere Homepage – merkwürdigerweise ebenfalls vom 13. Juli um 13.44 Uhr.
Wer nun die aktuelle, ungesichtete Artikelversion verändern möchte und folglich den Tab „Seite bearbeiten“ anklickt, erlebt sein blaues Wunder: Es erscheint nicht etwa, wie zu erwarten, der aktuelle Artikel, sondern die gesichtete Fassung. Es ist also gar nicht mehr möglich, in die aktuell gezeigte Fassung einzugreifen! Man kann sie nur noch als Ganze durch den gesichteten Artikel ersetzen.
hallo und danke für die antworten. habe auf der wikipedia seite gefunden das da steht: Gesichtete Versionen: Bis zum Start des Meinungsbildes sehen Leser wieder wie früher die aktuellste (ggf. nichtgesichtete) Version.
man könnte dich vieleicht die Link auf diese seite wieder einbauen?
Im Augenblick – es ist mir nicht möglich zu ermitteln seit wann genau – zeigt wikipedia wieder die “gestraffte” Version vom 13. Juli um 13.44 Uhr mit Link auf unsere Homepage. Sie trägt diesmal nicht den Vermerk “gesichtet”.
Für Wikipedia-Interessierte mag folgendes noch interessant sein:
Es gibt bei Wikibooks (ein anderer Ableger der Wikimedia neben der Wikipedia) einen Eintrag Kritik_der_Chronologiekritik aber keinen Eintrag zu Chronologiekritik selbst. Vielleicht wäre diese Wikibooks-Seite für eine “ehrliche” Darstellung geeigneter als die heiß umkämpfte Wikipedia-Seite!?
Keine falschen Erwartungen, bitte. Der Wikibook-Artikel ist von Dr. Bechly angelegt, um seiner Version des WP-Artikels ein Überlebensreservat zu geben.
Ich empfehle eher expliki.org zum Neuaufbau eines Artikels (s. mein dortiger Carotta-Artikel-Stub).
[…] es zum Teil auch jetzt noch. Man lese zu diesem heiklen Thema den letzten Abschnitt des Artikels de.wikipedia.org: Erfundenes Mittelalter sowie die anschließende Diskussion in den Kommentaren – insbesondere Kommentar 15 von […]
Der Streit um den Wikipedia-Artikel “Erfundenes Mittelalter” hat es jetzt auch in den Spigel geschafft: http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,689588,00.html Im Inneren des Weltwissens, leider nur auf den hinteren Rängen. Und natürlich ohne daß der Spiegelautor viel Sachverstand beweist.
Danke für den Hinweis. Der Autor Mathieu von Rohr ist vermutlich völlig ahnungslos, was die Illig-These angeht, und hat sich von der Fiebig was erzählen lassen.
[…] war es Anlass, diesen Wikipedia-Artikel zu meiden. Kürzlich hat Jan Beaufort [2008] auf zahlreiche Irrtümer hingewiesen, die dort zu finden sind. Seitdem ist er nicht besser, sondern kürzer […]
[…] für die Entwicklung der Phantomzeitthese wurde. (Siehe zu diesem Zusammenhang meinen Beitrag de.wikipedia.org: Erfundenes Mittelalter.) Und schließlich die Frage nach dem Motiv: Wer würde von diesem 300-Jahre-Betrug profitieren? So […]