Exempel des Bösen
Unter dieser Überschrift wird im “Spiegel 2/2008” auf den Seiten 20-38 als Titelgeschichte der Ausgabe das aktuelle Reizthema “Jugendkriminalität” behandelt. Auch Gunnar Heinsohns Thema “Youth Bulge” wird dabei angesprochen:
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Der Bremer Konfliktforscher Gunnar Heinsohn hat zur Erklärung des Phänomens den Begriff der “Youth Bulge” in Deutschland eingeführt. Dieser “Jugendüberschuss” an “zornigen Männern” berge einen gewaltigen Sprengsatz in sich, der ganze Regionen oder Länder aus den Fugen geraten lassen kann. Etwa in Afrika oder im Nahen Osten würden die Ballungszentren bersten vor Männern, die voller Testosteron sind, aber ohne Aussicht auf einen sozialen Aufstieg leben.Die Jungmännerhorden, sagt der Professor, machten Gesellschaften gewaltbereiter und führten sogar in kriegerische Auseinandersetzungen – nach innen wie nach außen. Schon Feldzüge der Spanier, Schweden oder Holländer seien von aggressiven Viert- oder Fünftgeborenen getragen gewesen, die zu Hause keine Zukunft mehr für sich gesehen hätten.
Die Thesen des Bremer Soziologen sind nicht unumstritten, aber Heinsohn nennt prägende aktuelle Beispiele für seine These wie Sri Lanka oder die Elfenbeinküste. Er macht den “Jungmänner-Hass” auch für den Nahost-Konflikt verantwortlich, wo die zornigen Palästinenser ihre Energie gegen Juden und Israel richten. Und wenn über Generationen Väter drei oder mehr Söhne in die Welt setzen, würde daraus eine Dauer-Youth-Bulge entstehen, was automatisch in einen Dauerkonflikt führe.
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Gunnar Heinsohn
Söhne und Weltmacht
Terror im Aufstieg und Fall der Nationen
orell füssli Verlag AG, Zürich 2003
ISBN 978-3-280-06008-7
http://www.single-generation.de/demografie/gunnar_heinsohn.htm
„Der amerikanische Geheimdienst CIA publizierte im Jahr 1995 das Papier Demografische Hintergründe für ethnische Konflikte . Darin ging es um die Frage, ob rasches Bevölkerungswachstum zu politischer Instabilität führen kann. Denn dieses erwirkt zwangsläufig einen youth bulge, eine Beule in der demografischen Kurve, einen Überhang an jungen Menschen, die keinen Platz in der Gesellschaft finden. Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass Mord und Totschlag drohen, sobald die Altersgruppe der 15- bis 24-Jährigen einen Anteil von 20 Prozent an der Gesamtbevölkerung übersteigt.
Acht Jahre später hat der Bremer Völkermordforscher Gunnar Heinsohn aus dieser Theorie ein Buch gemacht:…“ weiterlesen unter: Reiner Klingholz „Machen junge Männer Krieg?“ In: Die Zeit v. 26.2.04 (Internet)
Weiteres s.: http://www.single-generation.de/demografie/gunnar_heinsohn.htm
Von mir noch einige polemische Notizen zu: „Wer hungert, tötet nicht!“ (Interview mit Heinsohn in der Heidelberger Studierendenzeitung):
Was folgt für die Friedenswächter des Globus aus der These, dass angeblich zu viele, gut ernährte junge Männer gewaltbereit werden, wenn sie keine Chance in der Gesellschaft haben, „nach oben oder in ehrenhaftes Gedenken zu gelangen“? Jede Lösung scheint in einen Konflikt zu führen, denn wir wollen ja die Guten sein, das gilt besonders für die marode Nation USA, die trotz fehlenden Youth bulge (aber mit vielen anderen bulges) seit vielen Jahrzehnten der militärisch gewalttätigste Friedensstifter ist.
Youth bulge (ein jugendliches Geschwulst) hört sich schon an wie ein Balg, den man erst aufbläht, dann leerräumt und dann ausstopft.
„Es gibt einen Konflikt zwischen Menschenrecht und Völkermordrecht“. Letzteres – gibt es das? Ich dachte es gäbe nur ein Gesetz gegen Völkermord? „Aber das Zulassen von Völkermord ist auch ein Verbrechen“. Wie wahr! Gewalt hat etymologisch keinen Zusammenhang mit Wohltat sondern mit Walstatt. Leider erwähnt Heinsohn hier nicht den Zusammenhang zwischen „Völkermord“ und Definitionsmacht; wer entscheidet, wann etwas ein Völkermord ist? Die Töter, die sich als Gutmenschen ausgeben?
Ein anderes Problem liegt in den Menschenrechten, die nichts moralisierendes meinen, sondern schlicht das Eigentum an sich selbst. Das westliche Verlangen nach Einhaltung von Menschenrechten in Staaten ohne Eigentumswirtschaft und –recht ist schlichtweg eine Mogelpackung. Was tun? Alle in die Steinzeit bomben, um die Eigentumswirtschaft des Globalrechts dort hochzuziehen? Und derweil geht das Recht baden…
„Die westlichen Staaten, die kaum noch Söhne für Kämpfe zur Verfügung haben, müssen sich wehren, wenn ein youth bulge durch Kriegsführung über die Grenze geht.“ Na, und wie die sich wehren! Die Amerikaner behaupten ja schon längst, dass sie im Verteidigungskrieg sind. Na gut, vielleicht wehren sie den Anfängen des Über-die-Grenze-Schwappens (schließlich liegt ein Ozean dazwischen). Das tun wir Europäer in Nordafrika schließlich auch, obwohl da nur Hungrige Spalier stehen – die ja nicht gewaltbereit sind. Aber die wollen sich hier satt essen und wer weiß, was uns dann blüht…(“Um Brot wird gebettelt, um gesellschaftliche Positionen geschossen“) Sorgen wir wenigstens dafür, dass sie hungrig bleiben… Ich unterstelle dies nicht als Heinsohns Meinung, sicher möchte er nicht so verstanden wissen; aber so ähnlich lässt sich seine Aussage wohl weiter denken…
Auch das wäre nur „der Wirklichkeit abgeschaute Logik“: so machen wirs. Und nebenbei haben wir einen Konflikt: „Nicht nur das Töten, auch das Verhungern entspricht nicht unserem Verständnis von Menschenwürde“. Tatsächlich?! Offenbar können wir es uns selbst eben nicht immer recht machen.
In der Studentenbewegung der 60er Jahre: „Wenig getötet wurde nur, weil die Leute gemerkt haben, dass für sie doch Professuren oder Ministerposten erreichbar sind.“ Aha. Da müssen wir froh sein, dass er einen davon bekommen hat?
Wir hätten eben schon damals die angesehensten gesellschaftlichen Positionen mit der Bettelschale ausstatten und vom Volk ernähren lassen sollen! Das wäre vielleicht noch immer eine gute Lösung nicht nur für Staatsdiener, sondern auch für manchen Bankenchef und global player…
Und heutzutage?: „Die Söhne hingegen können durch multiple Vaterschaften keinen beamtenähnlichen Status erreichen. Das Streben nach Respekt lässt sie zu Gewalt greifen.“ Ja, „Respekt“ (Wertschätzung inclusive) ist wichtig für jeden Menschen. Ist Heinsohn nicht vorstellbar, dass die weniger ein Problem des sozialen Status ist, sondern des wertschätzenden mitmenschlichen Umgangs, an dem es freilich bei vielen Zeitgenossen hapert (von Hartz IV Empfängern an die ganze Karriereleiter aufwärts)? Und wenn der Posten ergattert ist, setzt dann automatisch der “Respekt” ein? Der beamtenähnliche Status spukt noch immer im Kopf des Professors herum. Offenbar fehlt ihm die Sicht auf alternative Möglichkeiten sozialer Anerkennung und Wertschätzung des Einzelnen.
„Aber man hatte das Gefühl, dass Amerika 9/11 erspart geblieben wäre, wenn man in Afghanistan beizeiten gehandelt hätte.“ Wer ist „man“? Heinsohn sollte mit solchen Aussagen vorsichtiger sein. Denn über die wirklichen Terroristen von nine-eleven kann jede/r(man) angesichts der reichlich unterschlagenen aber dennoch für Suchende zugänglichen Faktenlage ganz anderer Ansicht sein – und dann ist zumindest dieser Teil von Heinsohns Analyse nur ein bulge, Geschwulst.
Seine These halte ich für kontraproduktiv, geradezu eine Legitimation durch die Hintertür. Sie gibt Leuten Nahrung, die keine mehr brauchen. Die sind so satt…
Zu Gunnar Heinsohn; Youth Bulge
Einer meiner Urgrossväter mütterlicherseits war in den Jahren 1914-18 Bursche bei einem hohen k.u.k. Offizier. Deutschstämmig, war Deutsch seine Muttersprache. Er verheimlichte diese Tatsache jedoch dem Vorgesetzten gegenüber, und wurde von diesem als Ungar betrachtet, demzufolge nur ungarisch gesprochen wurde.
Irgenwann 1918 wurde im Einspänner ausgefahren, mit von der Partie war ein ranghoher deutscher Offizier. Man sprach ungeniert, deutsch natürlich, in der Annahme der Kutscher verstünde nur ungarisch.
Der k.u.k Offizier sprach das nahende Kriegsende an, stellte die Frage, warum die Deutschen immer noch so verzweifelt kämpften, sie verlören doch sowieso.
Antwort des deutschen Offiziers: es sei ganz egal, wer verlöre und wer den Krieg gewänne; es seien zu viele junge Männer in Europa, die dürften sich nicht alle auch noch vermehren.
So wird diese Geschichte in meiner Familie tradiert . . .