Interdisziplinäres Bulletin
(vormalig ‚Vorzeit-Frühzeit-Gegenwart’)
Jahrgang 21, Heft 3, Dezember 2009
515 | Editorial |
516 | Heribert Illig: Das Labyrinth. Verwirrung über zwei dark ages hinweg |
545 | Klaus Weissgerber: Die frühen Pharaonen II (Aegyptiaca XVI) |
575 | K. Weissgerber: Neues über Nofretete? |
585 | Zainab A. Müller: Zur Identität der Arianer (Teil II) |
612 | H. Illig: Arius und Athanas. Ein Hinweis |
620 | Renate Laszlo: Die Handschrift Troyes von Wilhelms Gesta Regum Anglorum |
639 | Georg Dattenböck: Bemerkungen zum heiligen Oswald |
644 | H. Illig: Santiago de Compostela. Erfindung einer besonderen Wallfahrt |
664 | Marianne Koch: Schliemanns Erbe und Osnabrücks fälschungsgesättigte Gründerzeit |
679 | Cornelius Paraschiv: Scythia minor – Dobrudscha. Dreihundert leere Jahre? |
684 | H. Illig: Flechtwerk und Planetenlauf |
695 | Andreas Otte: Ex oriente lux? Wege zur neuzeitlichen Wissenschaft |
700 | H. Illig: Abschied von Salaì. Die fortgesetzte Fälschungsaufklärerei enttäuscht. Eine Rezension |
703 | A. Otte: „2012“. Eine cineastische Erfahrung |
705 | Joachim Bauer: Kreative Strategien in der Biologie. Neue Erkenntnisse aus den Genom-Projekten |
722 | Gunnar Heinsohn: Weltfinanzkrise als Katastrophe der ökonomischen Theorie |
741 | Claudio Weiss: Laudatio Prof. Gunnar Heinsohn |
743 | Alfred de Grazia. 90. Geburtstag am 29. 12. 2009 |
746 | Register für den 21. Jahrgang, 2009 |
759 | Leserbriefe und Diverses |
771 | Verlagsmitteilungen |
ISSN 0947-7233
Nach Santiago!
Um einmal den konstruktiven Gehalt der hier vorgetragenen kritischen Argumente zu demonstrieren, nehme ich mir mal – ganz aktuell – Heribert Illigs Artikel über die Wallfahrt nach Santiago vor.
Dieser Artikel wäre mit Sicherheit anders ausgefallen, wenn der Autor Volker Dübbers’ Texte studiert hätte: die ganze Plauderei über angebliche AD-Datierungen vor 1500 wäre obsolet.
Geblieben wäre nur noch das Jahr 1950, in dem vielleicht jene Platte gefunden wurde, mit der womöglich das Franco-Regime die Wallfahrt wieder ankurbeln wollte und die mit Sicherheit eine Fälschung ist.
Hätte sich der Autor die Urbanoglyphe von Santiago angesehen, hätte er gemerkt, dass die Stadtplaner überhaupt keine Beziehung zum Neuen Testament und damit zum Objekt der Wallfahrt hatten. Die Glyphe stellt eine Szene aus einem Apokryph zum Alten Testament dar, deren Hauptfigur noch in ihrer Tiergestalt erscheint und die aus Anagrammen der beiden Stadtheiligen hergeleitet wurde. Wer sie findet, wird vielleicht mit mir nicht ganz sicher sein, ob sie geschmacklos ist oder ob man darüber lachen sollte.
Natürlich handelt es sich dabei wieder um Astralmythologie, von der man vielleicht sogar etwas spürt, wenn man den grandiosen Postkartenblick zur Kathedrale genießt.
Jakob ist Orion – der ewige Westwanderer.
Die Organisatoren der Wallfahrt hatten wohl keine allzu hohe Meinung von den christlichen Wallfahrern, kannten aber zweifellos die Glyphe, denn wer sie versteht, dem wird klar, warum ausgerechnet das Buch eines Komikers zum Bestseller stilisiert wurde.
Aber es hat auch keinen Sinn, hier Details zu verraten, vielleicht nur dieses:
unsere Hauptstadt Berlin hatte früher eine ganz ähnliche Figur im Grundriss.
Übrigens weiß ich nicht, warum der Autor die Kathedrale als innen hochromanisch und außen barock empfindet – für mich ist sie zu 100 % barock.
In diesem Sinne allen ein Frohes 2010!
Was mir bei Ihrem Text fehlt, sind Begründungen. Warum ist die Kathedrale Ihrer Meinung nach und im Gegensatz zu der aller Kunsthistoriker auch im Inneren komplett barock? Warum sollte man Herrn Dübbers Zeitansätze einfach so verwenden? Sie argumentieren nicht, Sie begründen nicht, Sie setzen und Sie erwarten von anderen, das einfach so zu akzeptieren. Mehr noch: Sie erwarten von anderen, gegen Ihre Setzungen zu argumentieren und mit Untersuchungen ihre „abweichende“ Meinung zu belegen. Ich kann nichts argumentativ Zwingendes erkennen, weder in dem was Sie schreiben, noch wie Sie es vorbringen.
Denken Sie mal darüber nach, warum Dinge, die einem selbst evident erscheinen, von anderen nicht akzeptiert, abgelehnt und/oder ignoriert werden. Ich darf zumindest einen Hinweis geben: Es ist höchst problematisch, Thesen auf komputistischen, etymologischen oder „urbanoglyphischen“ Vergleichen aufzubauen. Sie sind meiner Ansicht nach keine ausreichende Basis, denn der Interpretationsspielraum ist jeweils erschreckend groß, es gibt keine Stringenz und folglich keine wissenschaftlich vertretbare Position. Das entwertet alle Schlussfolgerungen.
Natürlich fehlt immer etwas (meist der Wasch- oder Beipackzettel) und immer ist es problematisch, Thesen aufzubauen, die nicht im Lehrbuch stehen.
Sowohl Volker Dübbers wie auch ich waren früher begeistert von der Phantomzeitthese.
Schwierig wurde es, als unsere eigenen Forschungsergebnisse dieser These zuwiderliefen – die FZT reicht nicht aus, um die “Geschichtslöcher” zu stopfen.
Was wir hier wollen ist nur, Euch freundlich darauf hinzuweisen, dass es diese Differenzen gibt und Ihr nicht besonders klug daran tut, sie auszublenden.
Ihr solltet womöglich die Grundlagen immer wieder neu durchdenken, um nicht zu Dokrinären zu werden:
dabei könnte es hilfreich sein, die “Rechenwege” von Volker Dübbers zu verstehen oder mal ein Bildchen im Grundriss einer Stadt wie Santiago zu finden, das Euch den Schlaf rauben könnte.
Was die Kathedrale angeht, so war ich drin und immer überzeugt, sie wäre in einem freilich etwas herben Barockstil erbaut. Kunsthistoriker mögen sich da freilich in vertrauenserweckendem Maße auskennen.