Unter dem Kölner Dom fand Prof. Sven Schütte Spuren eines Erdbebens. Wie er am 21.10.07 in der Sendung ‘ZDF-Expedition’ darlegte, fanden sich Spuren des Bebens, das sich im Jahre 750 ereignet habe, am Vorgängerbau unter dem Dom. Die außerordentlich mächtige Fundamentierung der Türme des Doms sei Folge der Erfahrung dieses Bebens gewesen.
Eine andere Forschergruppe hatte herausgefunden, dass sich schon zur späten Römerzeit (also rund 300 Jahre früher) ein etwa gleichstarkes Beben (Stärke 6) im Kölner Raum ereignete. Dies lässt sich an einer geborstenen Mauer des mächtigen römischen Prätoriums nachweisen.
Wäre demnach Köln in besonderem Maße von Erdbeben bedroht – oder hat Schütte aus richtigen Beobachtungen die falschen Schlüsse gezogen?
Siehe dazu jetzt den ZDF-Online-Bericht
“Wilder Planet: Das große Beben
Die Kölner Erdbebentheorie
Hinweise auf große Erschütterungen in römischer Zeit”
“Diese Erdbebentheorie umfasst auch ein Ereignis, das stattfand, als die Römer in Köln regierten. Die Einwohner der damaligen Hauptstadt der Provinz Germania Inferior, Colonia Claudia Ara Agrippinensium, wurden von dem Beben vermutlich völlig überrascht. Viele starben an Rauchvergiftung oder durch herabfallende Gegenstände. Der Seismologe Professor Klaus-Günther Hinzen glaubt Beweise für ein Beben im Rheingraben zur Zeit der Römerherrschaft gefunden zu haben. Für Hinzen ist der ältere der beiden Vorgängerbauten des Domes von zentraler Bedeutung.”
Vgl. dazu auch Archäoseismologische Indizien für ein Schadenbeben im Raum Köln im 8. Jahrhundert
Damit haben wir nun aber ein Problem:
Die von Sven Schütte genannte Zahl 750 ist eine neue Zahl, die entweder das “bisherige” “große Erdbeben” von 780/90 in Frage stellt oder aber wie hek vermutet, in die Spätantike gehört.
Vgl. dazu folgende Online-Fundstücke:
Wikipedia: St. Gereon (Köln) “Der im großen Kölner Erdbeben circa 780/89 beschädigte Bau erhielt um 800 einen kleinen Rechteckchor und ein von Hildebold gestiftetes Ciborium des Hauptaltars.”
Archäologische Zone: Prätorium
“Eine Naturkatastrophe beendete um 780/90 die Geschichte der Residenz: Sie wurde in wenigen Minuten zerstört. Auch hierüber wissen wir noch relativ wenig. Die Naturwissenschaften ermittelten ein Erdbeben enormer Stärke Ende des 8. Jahrhunderts, das in Köln viele Bauten zerstörte oder beschädigte.”
Ebenerdig in die Römerzeit: Unter dem Rathausvorplatz: “eine komplett erhaltene römische und mittelalterliche Mauer mit riesigen Bögen und den Rissen des oben bereits erwähnten Erdbebens aus dem Ende des 8. Jahrhunderts.”
Walter Geis / Ulrich Krings (Hg.): Köln: Das gotische Rathaus und seine historische Umgebung (= Stadtspuren. Denkmäler in Köln, Bd. 26), Köln: J. P. Bachem Verlag 2000, 664 S., 560 z. Tl. farb. Abb., ISBN 3-7616-1391-1, DM 88,00. Rezensiert von:
Lutz Unbehaun,
Thüringer Landesmuseum Heidecksburg, Rudolstadt
“Unter dem Titel “Ursprung und Voraussetzungen des mittelalterlichen Rathauses und seiner Umgebung” untersuchen Marianne Gechter und Sven Schütte die mit der Stadtgründung Kölns einsetzende Bebauung jenes Areals, in dem später das gotische Rathaus errichtet wurde. Akribisch belegen sie anhand von Quellen und bauarchäologischen Befunden die “historische Bedeutung” dieses Ortes. Dabei werden unter anderem solch herausragende Bauten wie das Praetorium, die Nutzung dieses Gebäudes in der Merowingerzeit als regia, und die im 4. Jahrhundert nachgewiesene Synagoge behandelt. Erst in karolingischer Zeit, zwischen 770 und 790, ist durch ein Erdbeben die bestehende Bebauung teilweise zerstört worden. Während das Praetorium daraufhin abgerissen wurde, baute man die Mikwe und Synagoge wieder auf.”
Illig kommentierte die Schüttes Erdbebentheorie bereits in Zeitensprünge 3/2004, nachdem sie bereits am 2. August 2004 medial bekannt wurde.
Siehe: Stellpflug, Anne (2004): Schwere Erschütterung. Warum Karl der Große von Köln nach Aachen umzog; gesendet am 2. 8. in Westdeutscher Rundfunk (WDR 5) Leonardo – Wissenschaft und mehr (Skript)
Darauf erwiderte Illig:
“Schütte als Karlsretter im erdbebenbedrohten Aachen
Einmal mehr hat sich Sven Schütte zu Wort gemeldet. Im Westdeutschen Rundfunk [i.W. Stellpflug] ging es am 2. 8. um ein zunächst Kölner Problem, nämlich um das unterm Rathaus ausgegrabene Praetorium, einen riesigen Bau, der sich etwa 180 m am Rhein hinzog und vom Ufer weg rund 200 m erstreckte. Die Archäologen haben ab +40 vier Bauphasen festgestellt, vermuten aber eine noch ältere. Diesen Bau dürften später auch die Franken benutzt haben, was bislang noch durch nichts bewiesen ist. Für Schütte ist allerdings gesichert, dass in diesem Gebäude unter den merowingischen Königen und fränkischen Hofverwaltern Macht ausgeübt worden ist. Warum aber zog dann Karl der Große gegen 790 nach Aachen in die finsterste Provinz?
Zunächst stellte Schütte klar, dass Köln gegen jede publizierte archäologische Evidenz Völkerwanderung und Frankenzeit gut überstanden habe. Köln sei keine anarchische Siedlung mit Kappesfeldern im Stadtgebiet geworden, wie man noch vor zehn Jahren lesen konnte:
“Dieses Bild hat sich inzwischen durch die Archäologie gründlich gewandelt, wir wissen, dass Köln eine durchaus städtische Kontinuität hat, die Stadtmauer ist nicht als Steinbruch verwendet worden, es ist offensichtlich so, dass das städtische Leben zwar sich reduziert, aber es gibt die Stadt noch vollständig und funktionsfähig, wenn auch vielleicht nicht mehr mit ihren Institutionen” [Stellpflug].
Wenn es denn so gewesen wäre, bräuchte Karls Abzug einen triftigen Grund. Dem glaubt man jetzt im Praetorium auf die Spur gekommen zu sein. Die dort schon länger festgestellten Setzungsschäden sieht man nun als Erschütterungsschäden durch ein Erdbeben. Das diagnostizierte mit Klaus Günther Hinzen der Leiter der Erdbebenstation Bensberg. Er legte das Epizentrum 20 km westlich von Köln im Erftsprungsystem fest. Und weil im historischen Erdbebenkatalog für Deutschland und angrenzende Gebiete
“um die Zeit 800 herum oder gerade für die Jahre nach 800 eine auffällige Häufung von Beben im Katalog vorhanden ist, bei dem auch immer wieder das Rheinland und insbesondere Aachen erwähnt wird” [ebd.],
schließt Sven Schütte messerscharf, dass Karl wegen eines Bebens, das das Praetorium beschädigte, in eine sumpfige Stelle des besonders erdbebenbedrohten Aachen ausgewichen sei. Aus der Wolke seiner Mutmaßungen lässt sich allein als gesichert festhalten, dass der Aachener Zentralbau auf einem starken Fundament von 5 Metern Tiefe steht. Schütte schwächt jedoch sein eigenes Argument, indem er auf die Fundamente des Kölner Doms verweist.
Der dortige Bau VII kam noch ohne tiefgreifende Fundamentierung aus; Bau VIII bekam dann ein solides, bis sechs Meter hinabreichendes Fundament, wobei die Hanglage zu berücksichtigen ist. Ihn wollte man früher als Bau von Bischof Hildebold († 818) sehen; seitdem wird diskutiert, ob er dem späten 9. oder dem 10. Jh. angehört. Auf jeden Fall wird Erzbischof Bruno (953–965) der Bau von zwei Seitenschiffen zugeschrieben [Wolff 186 f.]. Doch ab dieser Zeit bekamen immer mehr Kirchen immer tiefere Fundamente. Von der gotischen Kathedrale zu Amiens (begonnen 1218) ist bekannt, dass zunächst 16 Schichten zu je 0,40 m übereinander gelegt wurden: aus Ziegelerde, Beton und 14 aus Kreidestein. Darüber kam eine weitere Steinschicht, dann drei Schichten Sandstein, also ein Fundament von deutlich über 7 m Tiefe [Cali 263] – ohne dass die einstige Picardie besonders erdbebengefährdet wäre. Aachens solides Fundament ist also ab Mitte des 10. Jhs. mit der Architekturgeschichte zu vereinbaren; die von Schütte beschworene Ähnlichkeit mit Römerbauten ist dank der Phantomzeit sogar plausibler geworden.”
Mal schauen, was sich weiter ergibt …