Auch Horst Fuhrmanns Einführungstext jetzt als Google Book einzusehen
Vermutlich nicht zur Freude des Autors, dafür aber zum Wohle der Leser ist nun auch Horst Fuhrmanns Einladung ins Mittelalter im Netz erschienen. Darin für unsere Zwecke am aufschlussreichsten der letzte Teil Fälschungen über Fälschungen, der allerdings nicht ganz enthalten ist.
Fuhrmann schreibt gelegentlich überraschend Klartext, auch wenn er an anderen Stellen eher beschönigend, verharmlosend und rechtfertigend unterwegs ist. Nicht schlecht etwa eine Wendung wie diese auf Seite 202 (es geht um Fälschungen, die nicht auf einen materiellen Vorteil abzielen): „Als es zum Beispiel im 11. Jahrhundert für einen Mißbrauch gehalten wurde, schon Getaufte noch einmal mit Taufwasser zu besprengen, kam pünktlich – selbstverständlich gefälscht – ein Brief des urkirchlichen Papstes Clemens I. (ca. 88-ca. 97) ans Licht, der dieses verbot, und fand weite Beachtung, wobei der Text mancherorts weiter verändert wurde.“ Als kleiner Beitrag zur in den Zeitensprüngen geführten Debatte über Arius, Ali und Mohammed ist folgender „Teufelsbrief“ bemerkenswert (Seite 203): ein „Belobigungsschreiben Satans an den Kardinal Johannes Dominici, Erzbischof von Ragusa (gest. 1419), aus dem Jahre 1208, der dankenswerterweise die Kirchenunion verhindert habe und dem in der Hölle ein warmes Plätzchen zwischen Arius und Mohammed eingerichtet sei.“ Eine Zeitfälschung zieht Fuhrmann selbstverständlich nicht in Erwägung, die Notwendigkeit, drei erfundene Jahrhunderte nachträglich mit Ereignissen zu füllen, erkennt er noch nicht als Motiv für das massenhafte Fälschen. Wohl stellt er fest (Seite 195): “Die Zahl der Fälschungen damals und der Umgang mit ihnen übersteigt in vielen Fällen unsere Vorstellungen”, was sich irgendwie als Eingeständnis liest, das Phänomen nicht ganz erklären zu können.